GeKLOUTe Relevanz – Oder: Ist es nicht einfältig Dunbar’s Zahl zu vervielfältigen? Anmerkungen zur Reputationsanalyse

Robin Dubar, Leiter des Institute of Cognitive and Evolutionary Anthropology an der University of Oxford, will nicht mehr, als 150 Freunde

„Viel Freund, viel Ehr“. Dieses alte Sprichwort scheint in den sozialen Medien eine dramatische neue Wahrheit zu entfalten. Es ist ja so leicht, wohlgefällig zu konstatieren, dass die Anzahl der Follower gar nicht so wichtig sei – wenn man erst mal seine zweitausend beisammen hat, wohl wissend, dass man natürlich nicht nur auf Twittwochs und Bloggertreffen nach der Anzahl der twitterschen Follower, der fatzebuckischen Fans und der googleschen Einkreisungen taxiert wird.

Auch wenn wir längst um die Begrenztheit dieser „Freundschaften“ wissen, so erigiert das Ego doch prächtig, wenn wieder einmal ein vorgeblicher A-Blogger auf der Liste der „Freunde“ oder „Fans“ auftaucht. Aber wer hat noch die Übersicht, wenn die Stalker zu Hunderten um die eigene Aufmerksamkeit buhlen? Wie erkennen wir, wer wirklich wichtig ist in der Horde der Freunde? Können wir überhaupt Beziehungen zu unseren teilweise gigantisch aufblühenden Netzwerken pflegen?

Hier nun kommt Robin Dunbar zum Zuge, jener Psychologe und Anthropologe, der als Engländer weiß, was eine Insel ist und der behauptet hat, der kommunikative Horizont eines jeden Menschen ende bei einer Bevölkerung von 150. Mit mehr Menschen kann man keine dauernden Beziehungen unterhalten. Wir alle lebten letztlich auf Inseln mit 150 Einwohnern. Mehr geht nicht. 150 – das ist „Dunbar’s number“. Gefunden hat er sie ein wenig eigenartig auf Basis einer anthropologischen Analyse der Gehirnarchitektur von Säugetieren, weshalb sich diese Zahl seit der Steinzeit auch nicht wesentlich verändert habe. Wir denken wie Fred Feuerstein und wir networken wie Fred Feuerstein.  2.000 Freunde sind kaum mehr eine Illusion zu nennen, wie 200 Freunde.

Wenn dem aber so ist, wie erkennen wir unter den 2.000 jene, die zumindest ein wenig Bedeutung haben? Oder: Wie erkennen wir im Social Media Monitoring, ob da ein marodierender Waldwichtel sich ein wenig wichtig nimmt, oder ein einflussreicher Social Media Opinion Leader den finalen Shitstorm startet?

KLOUT – Der Reputationsanalyseautomat

Ein kleines Ranking-Tool ist in letzter Zeit in aller Munde und Tool-Sets: KLOUT.

KLOUT ist das zur Zeit wohl bekannteste Werkzeug zur Reputationsanalyse. Vor zwei Monaten empfahl die taz KLOUT ihren Leserinnen und Lesern, nicht ohne freilich vor dem Einfluss dieses Dienstes zu warnen. Selbst die Kollegen von netzwertig.com erkennen inzwischen die „Quasi-Dominanz von Klout als künftigen Standard der Reputationsanalyse von Personen im Netz“ an. KLOUT misst auf der Basis von Kennzahlen v.a. aus Twitter und Facebook sowie eigener Algorithmen so etwas wie die Relevanz einer Person und schreibt dieser eine Rangzahl zwischen 1 und 100 zu. Wer hier über 50 liegt, kann schon einige Relevanz für sich behaupten.

 

Je höher der KLOUT Score ist, desto einflussreicher scheint eine Person zu sein. So gibt es inzwischen Hotels in den U.S.A., die auf Grundlage von KLOUT Scores entscheiden, ob sie einem Gast ein kostenloses Upgrade zukommen lassen. Je höher der Score, desto wichtiger ist die Person vermutlich als Markenbotschafter oder Meinungsmacher. Jürgen Vielmeier bezeichnete Klout auf  Basic Thinking vor einiger Zeit gar als „Schufa fürs Web“.

Dabei ist KLOUT durchaus umstritten und muss sich überdies noch immer mehr ernst zu nehmenden Wettbewerbern wie peerindex – ein Britte wie  Dunbar – erwehren.

Alle diese Anbieter haben das gleiche Problem: Wirklich messenlässt sich für sie nur Twitter. An die relevanten Traffic-Daten von Facebook oder Google+ kommt man nicht so ohne weiteres heran. Jan Rezab von „The Next Web“ hat die Glaubwürdigkeit der Mess-Ergebnisse vor wenigen Tagen einmal kritisch hinterfragt und kommt zu interessanten Ergebnissen. Rezab stellt fest, dass KLOUT Freunden, denen er einen größeren Einflussbereich zuschreibt, einen niedrigeren Score zuschreibt, als ihm selbst. Aber das mag ja durchaus so sein: viele Follower bedeuten nicht viele Leser und schon gar nicht viele, die einem auch glauben und vertrauen.

Rezab zweifelt einzelne Kriterien von KLOUT an. So gibt KLOUT einen Wert für die „wahre Reichweite“ an und es kann durchaus vorkommen, dass jemand mit 1.000 Followern eine höhere wahre Reichweite vorweisen kann, als jemand mit 100.000 Followern.  Allein: die Kriterien, wie KLOUT zu seinen Index-Daten kommt, bleibt KLOUT’s Geheimnis. Die Sache ist nicht weniger intransparent als der Kredibilitäts-Index der Schufa.

Eine Frage der Transparenz

Und das ist die Krux: die Schufa ist sinnvoll, ebenso wie ein gutes Instrument zur Reputationsmessung. Wären die Kriterien solcher Tools öffentlich, wäre es ein Leichtes diese Messeinrichtungen zu manipulieren. Man denke nur an die Benzinverbrauchswerte von Kraftfahrzeugen nach Richtlinie 80/1268/EWG. Autohersteller optimieren Neuwagen nicht nach realistischen Verbräuchen, sondern nach diesem Standardmessverfahren. Es misst exakt, nur eben das Falsche.

Solange aber die Kriterien solcher Tools nicht öffentlich sind, bleibt das Misstrauen. Misst KLOUT korrekt? Und was misst es? Warum steigt mein Ranking plötzlich in schwindelerregende Höhen, um dann plötzlich wieder – wie seit ein paar Tagen – in den Abgrund zu stürzen? Zwischem meinem KLOUT-High von 58 und meinem derzeitigen Wert von 55 hat sich mein Kommunikationsverhalten nicht wesentlich geändert. Und meine Glaubwürdigkeit und mein Einfluss auch nicht. Das hoffe ich zumindest.

KLOUT – richtig eingesetzt

Was lernen wir daraus? Es ist sinnvoll den KLOUT-Wert zu beachten, aber man sollte ihn nicht zum einzigen Erfolgskriterium hochreden. Wenn ich herausfinden will, ob ein Twitterati, der gerade über einen emeiner Kunden herzieht, Relevanz hat, dann schaue ich mir den KLOUT-Wert an, aber auch den Peer Index und wenn es auch nur den Hauch von Bedeutung gibt analysiere ich über Tools wie SocialBro das Netzwerk des Kritikers.

In Twitter kann man sich den KLOUT-Wert automatisch anzeigen lassen.

 

SocialBro zeigt – hier bei meinen Followern – den PeerIndex an. Man kann aber auch eigene Kriterien festlegen. Ich habe für mich zum Beispiel einen Q-Index definiert, der u.a. berücksicht, wie aktiv eine Person in den sozialen Medien ist, wie viele Follower er hat und wie die Relation zwischen Followern und Freunden ist – quasi mein eigener KLOUT-Wert.

Und, nur damit das klar ist: die Kritik wird natürlich inhaltich immer erstmal ernst genommen und auf ihren Gehalt untersucht. Denn das ist ja das Schöne an den sozialen Medien: das jeder eine Stimme hat. Und wer verünftiges ausspricht, hat Anspruch auf Gehör. Aber zur Aussonderung der Trolls und Trollinchen aus dem Kreis der vermeintlichen Fans und Freunde taugt KLOUT durchaus.

 

Andererseits kennen wir doch unseren Mark Twain: „Die eigentliche Aufgabe eines Freundes ist, dir beizustehen, wenn du im Unrecht bist. Jedermann ist auf deiner Seite, wenn du im Recht bist.“ Das aber müssten im Bedarfsfall auch die scheinbar guten und so überaus relevanten sozialen Freunde erst noch beweisen.

 

2 Kommentare
  1. traboini says:

    Als Georg von Frundsberg in der frühen Neuzeit sein „Viel Feind – viel Ehr“ textete, konnte man wirklich noch nicht ahnen, dass rund 500 Jahre später nur die Freunde gezählt würden.

    Anscheinend kommt es immer auf die Menge an. *grübel*

    Frundsberg brachten die viele Feinde in die Walhalla. Heute wird man virtuell zum Opinion Leader gekloutet.;-)

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  1. […] in sozialen Medien ist Klout. Wie man sinnvoll mit Klout und anderen Mess-Tools verfährt haben wir hier […]

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