Die CeBIT darf nicht sterben
Zwei Wochen, oder gar drei, sind jetzt vergangen, nachdem ich die CeBIT, die immer noch größte Computermesse der Welt, wieder einmal besuchen durfte. Viel wurde von alten Hasen wie Tim Cole und Christian Spanik, Seiteneinsteigern wie Thomas Knüwer und Mitläufern wie Nico Lumma hinterher diskutiert, über den Wert und Sinn der CeBIT in einem Zeitalter, in dem praktisch alle Lebensbereiche digital transformiert werden. Auch ich bin eher skeptisch denn euphorisch durch die Messehallen gewandelt. Und auch ich wurde hinterher befragt, hier in der Agentur, aber auch von Kunden, Partnern und Freunden: „Und wie war es in Hannover?“
So war die CeBIT 2016
Zugegeben: Man spürt nicht das Brummen und Brizzeln von 800.000 CeBIT-Besuchern, wie anno 1999. Und ein Rock the Blog – die neue Bloggerveranstaltung am letzten CeBIT-Tag – macht noch keine re:publica und schon gar keine „South by“ (wie Digital Early Adaptors Insiders die gehypte amerikanische Online- und Internet-Messe SXSW wohl nennen).
Auch waren die Messeauftritte der Großunternehmen bescheidener, ausgenommen von SAP, Telekom und Software AG. Der Hype um Salesforce war am vorletzten Messetag wahrlich nicht mehr nachvollziehbar, in der ungeordneten und überdimensionierten Halle 23, die eigens für die „Worldtour“ komplett angemietet wurde. Was an Give-aways fehlte, waren die Aluballons, dafür gab es weiterhin große Tüten von SAP und anderen, die allerdings ziemlich leer durch die Hallen getragen wurden.
Tesla reicht auch auf der CeBIT – ein Auto
Aufgeladene Marken oder technisch relevante Aussteller konnten offenbar über fehlende Besucher nicht klagen. Das bestätigten unsere Kunden als Aussteller in Halle 13, wie Lancom Systems und Ferrari electronic. Faszinierend war für mich Tesla, ja Tesla, der US-Elektroauto-Hype. Dem Unternehmen reichte eine große weiße Wand mit Logo und ein ausgestelltes Fahrzeug. Der Stand, vielmehr das Auto, war ständig von Besuchern umlagert.
Darüberhinaus macht sich, so mein Eindruck vom Messedonnerstag, eine große Ernsthaftigkeit breit. Im Gegensatz zu Messen, auf denen man Spaß haben kann, wird hier noch B2B gesprochen. Die kurzfristige Aufmerksamkeit interessiert nicht, statt dessen beredet man Mehrjahresverträge für IT-Ausstattung.
Auf der CeBIT spürte man B2B
Schönes Beispiel Rittal: der Serverschrankhersteller besetzte zwei Messestände in Halle 13 und türmte seine Racks drei Stockwerke hoch auf. Das Selbstbewusstsein darf wohl erlaubt sein, denn irgendwo muss die Cloud ja aufbewahrt werden. Sprich: während sich App-Entwickler, Online-Hipster, Marketing-Nerds und Spieleprogrammierer überlegen, wie sie die Anwender auf ihre Angebote aufmerksam machen, müssen im Hintergrund leistungsfähige IT-Infrastrukturen im Backend für die Digitale Transformation geschaffen werden.
Das mag langweilig sein, ist aber unbedingte Notwendigkeit, denn wenn der Server aus dem Schrank fällt, läuft nix mehr in der Cloud. Weder ein Spiel, noch ein CRM, noch ein IoT-Device. Die CeBIT als Plattform für horizontale IT-Lösungen muss und wird uns deshalb erhalten bleiben. In welcher Dimension steht auf einem anderen Blatt (wieder war merkbar, dass die Messegesellschaft Hallen verschlankt und verkürzt hat).
Zwischen Rock the Blog und den restlichen CeBIT-Messehallen- und Ausstellern gab es deutlich sichtbar keinen Link. Auch das Drohnenwettfliegen hatte den B2B-Bezug eigentlich nur in der Pressemitteilung der Messe. Und bedauerlicherweise war die Atmosphäre im Start-up-Bereich eher von messegesellschaftsüblicher Sparsamkeit geprägt, denn von Venture-Capital-finanzierter Aufbruchsstimmung euphorisiert, so wie es noch 2014 GFT Technologies mit dem code_n geschafft hat.
Ich glaube also schon, dass sich die CeBIT weiter entwickeln muss, sie muss sich aber deshalb nicht an den Moden der populären Social-Media-Events orientieren. Sterben wird sie noch lange nicht und bei der Breite des Angebots ist auch kurzfristig eine Integration in die Industriemesse (noch) keine Notwendigkeit – ist meine Meinung.
Ich bezeichnete die CeBIT der 00-er-Jahre gestern mal wieder als Woodstock für die IT-Branche.
Das Geld saß locker, die Energie der Massen hat auch die Aussteller aufgeladen und in jedem Jahr wurden die körperlichen Grenzen getestet und weiter ausgedehnt.
Seit fast zehn Jahren bin ich nicht mehr auf der Ausstellerseite dort gewesen.
Dieser Bericht aus diesem Jahr erweckt in mir den Eindruck, dass ich (leider) nichts verpasst habe.
Teslas stehen in meiner Nachbarschaft mehrere rum.
Dafür muss ich nicht nach Hannover. 😉
Gruß aus Leipzig