3 Tage CeBIT: weniger Besucher, mehr Gespräche, mehr Fokus
Zur Überraschung einiger hat die CeBIT diesmal sehr offen und schnell die erneut gesunkenen Besucherzahlen veröffentlicht. Der Veranstalter meldet eine Besucherzahl von 210.000 und bleibt damit unter den Erwartungen von 230.000. Aus meiner Sicht kein Grund das Fazit nun mit „Früher…“ zu beginnen, dem typischen Satzanfang auf den Ü-40-Standparties. Im Gegenteil: Ich bin von Montag bis Mittwoch kaum noch von den sogenannten „Beutelratten“ überrannt worden und musste mich nicht durch „Rattenfänger“ auf die Stände kämpfen. Ab Dienstag früh waren die Hallen gut gefüllt – das galt für alle Hallen von 2-13, bis auf wenige Ausnahmen wie die Halle 9.
Entsprechend war das Gedränge um 9 Uhr vor dem Eingang:
Was für ein Andrang heute früh #CeBIT https://t.co/CS2lPYFm8B
— Markus Pflugbeil (@MarkusPfl) 12. März 2014
Kundenbedingt pendelte ich hauptsächlich zwischen Halle 4, 6, 12 und 13 (und Pressezentrum). Hier darf im Übrigen die Frage erlaubt sein, ob nicht eine Komprimierung der Fläche zugunsten kürzerer Laufwege die Fokussierung der Messe auch in den Hallenplänen wiederspiegeln würde. Einmal durch den falschen Eingang in Halle 13 rein und dann sah es aus wie in einem leeren Hangar – „Room for Improvement“, würde ich es nennen.
Die meisten Messehallen zeichneten sich durch die übliche Belegung mit Ständen aus – imposant wie immer die großen vier IBM, Microsoft, SAP und Telekom. Wobei das Standdesign von Microsoft verglichen mit SAP und der Telekom als „nüchtern“ zu bezeichnen ist. Fast noch mehr als bei der Telekom hatte man bei SAP das Gefühl, dass hier die Marke und nicht die Produkte im Mittelpunkt standen, dafür drehte sich alles um Big-Data-Analysen, im Fußball oder beim Segeln. Im Übrigen gab es bei SAP auch den besten Cappuccino (Oracle mit Java war ja wieder nicht auf der CeBIT 😉 und die besten Moderation in der Arena. Die magentafarben beleuchteten magentafarbenen Regenschirme über dem Stand der Telekom dagegen waren mir schon zu viel des Guten.
Die Größe der Messehallen wurde dagegen in Halle 16 zum bestimmenden Designelement gemacht – die innovative Hallengestaltung strahlte auf die Besucher aus und gab der Halle das passende Flair für die 50 Start-Ups aus 17 Ländern, die sich hier präsentierten. Ich hatte diese Halle zugegebenermaßen nicht auf dem Plan, aber ein kurzer Einblick während der Bloggertour am Dienstag reichte, um mir für Mittwoch nochmal Zeit für „CODE_n“ zu nehmen.
Aus „nur kurz reinschauen“ wurde dann der ein Besuch, der sich über den gesamten Mittwoch Vormittag erstreckte. Die Protagonisten waren erzählfreudig, die Stories gut und die Ergebnisse faszinierend. Sicherlich ist es für die Aussteller im Rahmen von CODE_n von Vorteil, dass sie „zu Hause“ keine Ergebnisse in Form von zählbaren Leadbögen vorweisen müssen. Der Vertriebsdruck fehlt, dafür stehen die Entwickler und Erfinder selbst in der Halle und berichten über ihre Anwendungen und wie sie dazu gekommen sind.
Ich ließ mich von den Kurzbeschreibungen inspirieren oder auch von den Ausstellern selbst zu einem Gespräch überzeugen. Zwei Startups, Cosinuss aus München und soma Analytics hatte ich schon am Vortag auf der Bloggertour kennengelernt.
Den Mittwoch begann ich bei EnergyDeck. Einem Start-up von Ex-Google-Mitarbeitern, die Verbrauchsdaten von Häusern sammeln, anonymisiert im Internet aggregieren und als Vergleichsdaten zur Verfügung stellen. Damit lässt sich der Energieverbrauch von Gebäuden mit anderen vergleichen und daraus Schlüsse für Energiesparmaßnahmen ziehen. Laut eigenen Angaben hat man bereits Immobilienverwalter als erste Großkunden. Insbesondere interessant, dass man bei EnergyDeck nicht an den Smart Meter glaubt. Er wird von ihnen eher als Gateway gesehen, dass die Energiekonzerne in die Haushalte und Unternehmen drücken, um weiterhin Herr über die Daten zu bleiben. Aber auch bei EnergyDeck weiß man, dass sich Deutsche besonders schwer tun, ihre Daten „einfach so“ ins Internet zu leiten.
Bei LamaPoll müssen lange Erläuterungen nicht sein. Hier sagt man ganz klar: wir sind die deutsche Konkurrenz zu SurveyMonkey oder Poll Daddy, den beliebten Online-Umfrage-Tools aus USA. Allerdings mit einem Unterschied: Datenerfassung und -Speicherung bei LamaPoll finden in Deutschland statt und unterliegen damit deutschem (Datenschutz-) Recht. Ein Pluspunkt, der entscheidend sein kann (auch für uns als Agentur, die Umfragen ja als Dienstleistung anbietet).
Ich lasse mich immer wieder auch von quasi abgeguckten und abgewandelten Geschäftsideen faszinieren. Man kann von den Bild Bürgerreportern halten, was man will, das Konzept ist so einfach wie naheliegend. Ebenso einfach und naheliegend erscheint es deshalb, dass Konzept von der Bild abzukoppeln und für alle Redaktionen anzubieten. So machen es sell-news.com. Nach Registrierung kann man hier Bilder hochladen und zum Kauf anbieten. Ein Gespräch mit dem Gründer und CEO erläuterte auch die Details: Bilder werden in einem Auktionsverfahren angeboten, können aber auch per Sofortkauf erworben werden. Dafür, dass die Bilder frei von Rechten Dritter sind, muss derjenige gerade stehen, der sie hochlädt. Und die kompletten Nutzungsrechte an Bildern gehen an den Käufer über. Für das bisher erfolgreichste Foto erhielt der Urheber 400 Euro, es handelte sich um eines der ersten Familienbilder von Kate und William und ihrem neugeborenen Sohn, aufgenommen beim ersten öffentlichen Auftritt von einem Amateurfotografen.
Auch bei Changers , der Solarenergie-Community, werden altbekannte Elemente aus dem Web zu einem neuen Angebot vermischt: Ökologisches Engagement, gepaart mit dem Community-Gedanken und einem Bonusprogramm. Wer den Akkus per Solarpanel auflädt, erhält dafür Punkte, die seiner CO2-Einsparung entsprechen. In der Community werden die Punkte veröffentlicht. Jeder kann mit jedem in einen Wettbewerb um CO2-Einsparungen treten. Die Punkte können zudem gesammelt und dann gegen ökologische Angebote im Social Energy Marketplace eingetauscht werden. Der mit dem Solarpanel geladene Akku reicht ungefähr für zwei Handy-Füllungen. Das Komplettpaket aus Solarpanel und Akku kostet 149 Euro.
Bereits mit etablieren Kunden konnte Streetspotr aufwarten, nach eigenen Angaben die größte „Smartphone-Workforce“ Europas. Das heißt: Smartphone-Besitzer ziehen los und erledigen Aufträge, die sie via Streetsportr erhalten. Das hilft Unternehmen beispielsweise bei der Überprüfung von Produktplatzierungen oder Verkaufsförderungsmaßnahmen im Einzelhandel. Oder es lassen sich lokale Informationen erheben, ohne dass extra Personal vor Ort geschickt werden muss, beispielsweise um Öffnungszeiten von Geschäften herauszufinden. Noch weiter geht Streetspotr, wenn Teilnehmer sich auch selbst zu Teilnehmern an Marktforschungsprojekten bereit erklären. Sony, Red Bull, Lieferheld und andere nutzen den Service von Streetspotr bereits.
Eher technisch wurde es bei Appscale und Sqream. Appscale befreit App-Entwickler aus der reinen Google-Welt (so habe ich das verstanden). Bei Sqream kam man auf den Gedanken, für die Analyse großer Datenbestände auf Grafik-Prozessoren zurückzugreifen und damit die Datenverarbeitungen nicht nur schneller, sondern vor allem billiger als bei herkömmlichen Angeboten zu machen.
Mich am meisten fasziniert hat SynerScope. Die Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, wie man in großen, unübersichtlichen Datenmengen Anomalien entdeckt, ohne dass man vorher wissen muss, nach was man sucht. Der Chefentwickler demonstriert das Eindrucksvoll an öffentlichen zugänglich gemachten E-Mail-Daten des US-Skandalkonzerns Enron. Über die Darstellung lässt sich feststellen, wer mit wem kommuniziert hat, wie die Kommunikationsströme verlaufen sind und daraus auch, wo es auffälliges Kommunikationsverhalten gab. So lässt sich zum Beispiel feststellen, wer zu welchem Zeitpunkt über welche Informatione und von wem verfügte. Eine spannende Anwendung für die sich viele Einsatzzwecke vorstellen lassen.
Mapegy, die letzten auf meine Weg durch Halle 16, fischen Innovationsdaten aus dem Internet. Frei zugängliche Quellen werden danach abgegrast, welche Unternehmen in welchen Branchen und mit welchen Kooperationen und Patenten beschäftigt sind. Daraus lassen sich Trends frühzeitig erkennen. Sie beantworten die Frage nach dem Wer, Was, Wo, Wie und Wann bei der globalen Technologieentwicklung.
Nachmittags begleitete ich dann in der Security Area in Halle 12 die Interviews unseres Kunden Barracuda Networks (während Kollegin Pulfer selbiges wieder in Halle 4 für Ferrari electronic tat). Zunächst sprachen wir bei Barracuda über die neuesten Web Applications Firewalls, anschließend ging es um Backup und darum, dass die deutschen Unternehmen lieber zwei Appliances an verschiedenen Standorten betreiben, als ihre Daten einmal in der Cloud zu sichern. Danach beantwortete der Sales-Chef von Barracuda noch drei Fragen für den IT-techblog von Michael Hülskötter.
Den Ausklang des Abends bildete die Vorstellung der Security Bilanz des deutschen Mittelstands von Tech Consult und die Vorstellung des heise Security Consulters, einem IT-Security-Self-Check-Tool für den Mittelstand. Der Abschluss des Abends und des vibrio Messebesuchs erfolgte quasi dreiteilig. Eingeläutet wurde der Abend mit einem Aperitif in der Security Plaza. Fingerfood und Kölsch gabs anschließend beim vibrio Kunden Lancom Systems. Von dort zogen wir in großer Runde weiter auf die berühmt-berüchtigte api Party im Planet Reseller, und den Absacker gabs, sozusagen um den Tag auch symbolisch abzurunden, wieder in Halle 16 an der CODE_n Bar.
Details über den Messe-Montag befinden sich übrigens in meinem persönlichen Blog, den Messe-Dienstag habe ich in einem Storify zusammengefasst.
CeBIT 2014: Ziele nicht erreicht, aber trotzdem gelungen
Nach vier Jahren Abstinenz durfte ich in diesem Jahr wieder einmal die CeBIT besuchen und ich muss feststellen, es hat sich gelohnt. Wer Kontakte sucht, wird sie finden; wer alte Hasen und junge Start-ups treffen will, ist in Hannover richtig. Wer sich und sein Unternehmen in der Technologiebranche positionieren will kann die CeBIT und ihr Umfeld dazu auf jeden Fall gut nutzen. Und wie für alle Messen gilt für die CeBIT als größte B2B-IT-Messe im Besonderen: von Nichts kommt nichts. Wer nicht in entsprechendes Messe-Marketing investiert, wird in Hannover kaum Früchte ernten können – denn 3.800 Ausstellern und 210.000 Besucher sind immer noch eine ganze Menge.
Hallo,
ich habe auch die Cebit besucht und fand das es nicht viel anders war als in den letzten Jahren. Sehr viele Schüler und Leute die nach „give aways“ gesucht haben. Das von Messe AG beschrieben Fachpublikum wird ja auch immer weniger….die Info die ich brauche bekomme ich mittlerweile schneller im Internet….
Mit freundlichen Grüßen