Was isch ein Corporate Blog? Der Daimler-Blog??

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Was isch ein Coporate Blog überhaupt? Mit dieser Frage im sympathischen schwäbisch leitete Uwe Knaus, Projektleiter des Daimler-Blog, sein kurzes Referat im Rahmen des Social Web Breakfast in München ein. Thomas Koch von Kongress Media hatte aus Anlass des einjährigen Geburtstags des Daimler Blogs eingeladen und rund 40 Gäste waren dem Termin in die Lounge 2 im Münchner Mathäser Kino gefolgt.

Die Teilnehmer

Spannend war dabei, wie man nach einer Stunde Vortrag und Diskussion die Teilnehmer einordnen konnte: ein Teil von PR-Agenturen mit dem Ziel, Blogs als Quelle für Journalisten zu nutzen, ein Teil aus Unternehmenspressestellen, mit den Schwierigkeiten Social Media in den traditionellen Strukturen unterzubringen, ein Teil Quantifizierer mit Fragen nach Zugriffszahlen und vorher/nachher Image und ein Teil, der verwundert war, dass ein Markenunternehmen wie Daimler ein derartiges Biotop in seiner Kommunikation zulässt – zu letzteren dürfen sich wohl der Czyslanszki-Forscher Tim Cole und ich zählen. Herzerfrischend, spannend und mit zahlreichen Beispielen aus seiner einjährigen Erfahrung mit dem Daimler-Blog ging Knaus auf alle Fragen offen und ausführlich ein. Seine Eingangsfrage beantwortete er gleich selbst und betonte, dass Blogs nach wie vor vielen Leuten unbekannt seien.

Definitionen

Bevor ich noch auf ein paar Details eingehe, die ich spannend fand, möchte ich mich noch zur Definition äußern: denn das, was Herr Knaus macht, ist meines Erachtens nicht DER Corporate Blog, sondern eine Form eines Corporate Blogs. Wer den Klick noch nicht gewagt hat: Daimler Mitarbeiter bloggen dort über ihre Arbeitswelt bzw. „Gedanken, die sie während der Arbeit haben“, ohne Themenvorgabe, ohne Orientierung an oder Steuerung durch Corporate Communications oder Marketing: es gibt keine strategischen oder taktischen Kommunikationsziele oder Ergebnisvorgaben. Das Themenspektrum ist entsprechend viefältig und reicht vom Krippenplätzen über Kantinenqualität und die Kritik am 3-Liter-Auto bis hin zu Erfahrungsberichten aus Praktika.

Autoren

Dabei muss sich Knaus für alle Beiträge die Schreiber selbst suchen, denn die Einträge entstehen während der Freizeit freiwillig während der Arbeitszeit, mit einer Ausnahme, „da er am Band im Schichtbetrieb arbeitet“ (sonst würde der Betriebsrat einschreiten…). Lediglich ein paar Autoren haben Spaß am regelmäßigen Bloggen gefunden, darunter ein über 60-jähriger „der Bock auf Blog“ hat. Knaus selbst beschränkt sich auf Unterstützung seiner mittlerweile 70 Autoren, ohne inhaltlich oder gar zensierend einzugreifen. So musste er erst einmal einem Mitarbeiter von einem Eintrag dringend abraten (es ging um Firmenparkplätze…;-). Auch Kommentierungen sind uneingeschränkt möglich, von 1.200 abgegebenen Kommentaren, musste er erst 4 löschen (wegen einer themenfernen Diskussion). Im Übrigen sind die Autoren keine Administratoren, sondern können einfach ihre Texte bei Knaus einreichen, der sie dann in das System einspielt.

Regeln

Auch was die Regeln für seine Autoren angeht, ist Knaus sparsam. Es reichen zwei Hinweise: lest in Zusammenhang mit Geheimhaltung und Loyalität was im Arbeitsvertrag steht und denkt daran, dass das Internet nichts vergisst. Aussagen, die die finanzielle Performance von Daimler betreffen, also relevant für den Börsenkurs sind, sind natürlich tabu, dennoch dürfen allgemeine volkswirtschaftliche Themen eine Rolle spielen.

Stil

Was den Schreibstil angeht, orientierten sich die Autoren zunächst an den Vorbildern der klassischen Unternehmenskommunikation: der Stil war hölzern und unpersönlich, also nicht Blog-like. Hier bietet Knaus deshalb Unterstützung an. In der Praxis zeigt sich, dass das wichtig ist, denn seiner Aussage nach laufen gut geschriebene Einträge am Besten. Seine Erfahrung dabei: man muss der Community abschauen, wie gebloggt wird, dann kann man nicht viel falsch machen.

Zeit

Ziel ist es, ca. alle zwei Tage einen neuen Post zu veröffentlichen. Im Durchschnitt zählt der Daimler Blog derzeit rund 1.000 Leser pro Tag. Dabei kommen 65 Prozent der Leser nicht von Daimler, interessant dabei ist aber, das zu externen Lesern beispielsweise auch Zulieferer von Daimler gehören. Darüber hinaus hat sich herausgestellt, das Jobsuchende das Blog auch zu weiteren Information verwenden. Hier sieht Knaus den Nutzen für die Marke Daimler, die sich damit als transparentes und dialogfähiges Unternehmen präsentiert und damit weg kommt von dem Taxi- und Hund-auf-der-Hutablage-Image.

Beispiel

An einem Beispiel erläuterte Knaus, wie Blogs anders wirken als offizielle Kommunikationsinstrumente: So wurde das Engagement von Daimler zur Ausbildung von Mechatronikern in Malawi von der Pressestelle als klassische Presseinformation verbreitet, Ergebnis: eine einzige Veröffentlichung auf einem Afrika-Portal. Nachdem Knaus den Projektleiter der Mechatroniker-Ausbildung überreden konnte, seine Erlebnisse als Blogpost zu veröffentlichen, erreichte der entsprechende Beitrag jedoch mehr als 10.000 Zugriffe.

Kosten

Dabei ist der finanzielle Aufwand für solche Erfolge relativ gering: die Blog-Plattform ist Open Source und läuft auf den Web-Servern, die Daimler sowieso betreibt, und Personalkosten entstehen lediglich bei Knaus selbst.

Die Projektleiter-Kosten findet er selbst gut angelegt, denn, so sagt er: „Marketingleute können nicht bloggen“.

Fazit

Abschließend traf Moderator und Blogger Klaus Eck die Positionierung des Blogs innerhalb der Unternehmenskommunikation bei Daimler wohl treffend mit den Worten: „Ein Workaround um PR und Marketing“. Bei mir bleiben Zweifel, wie lange dieses Kommunikations-Biotop bei Daimler bestehen bleibt. Auf die entsprechende Frage antwortete Knaus: „Meinen Job gibt es mindestens noch ein Jahr“ – bis dahin sollte jeder Mal in den Daimler-Blog geschaut haben, bevor Marketing- und Kommunikationsabteilung die Hoheit über zukünftige Blogs übernehmen.

6 Kommentare
  1. uknaus says:

    Ja, ja, die Schwaben. Wir können eben alles. Außer Hochdeutsch 😉
    Ein kleine Anmerkung hätte ich noch bezüglich den Zugriffszahlen: 1.000 am Tag für den jeweils aktuellen Post ist die absolute Untergrenze. Teilweise haben die Beiträge bis zu 3.000 Zugriffe am ersten Tag.
    Den Quantifizierern (vorher/nachher Image) möchte ich eine provokante Gegenfrage stellen: Ist Kommunikation überhaupt messbar? Wenn ja: Steht dann der monetäre Aufwand zur Messung in einem angemessenen Verhältnis zu den gewonnenen Ergebnissen?

  2. Tommy says:

    Ich finde die Idee von Daimler einen Blog zu starten wirklich klasse. Wenn man heute einen Blick darauf wirft, dann sieht man, dann dieser immer auf den aktuellsten Stand ist. Mit der Zeit werden auch viele andere Unternehmen diese Art der Kommunikation nutzen. Denn nur so kann man einen vernünftige Verbindung zwischen Kunden und Lieferanten schaffen.

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  3. […] 2008 beim Social Media Breakfast in München noch minutiös handschriftlich mitnotierte (und später ebenfalls bloggte), hab ich diesmal nur getwittert (@MarkusPfl). Demzufolge will ich jetzt versuchen, aus dem […]

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