Ausgezeichnete Pressefotos von 1992
Was macht erfolgreiche Pressefotos aus? Die Antwort hat sich in den letzten 25 Jahren nicht wesentlich verändert. Bilder wirken, wenn sie beim Menschen fundamentales Interesse auslösen. Die Menschen achten noch immer auf die gleichen Dinge, reagieren auf die gleichen Reize. Wir zeigen das heute an den von der World Press Photo preisgekrönten Fotos aus vibrios Gründungsjahr 1992.
Pressefotos sind Gold wert
Eine Entschuldigung vorweg: Pressefotos sind Gold wert, und urheberrechtlich geschützt. Wir können sie deswegen nicht in geeigneter Form und Größe hier einbinden – pro Bild bedarf es eines zusätzlichen Klicks durch den geneigten Leser. Wir bitten dies zu entschuldigen, es soll aber auch zeigen: wer ein gutes Pressebild will, kann nicht erwarten es kostenlos zu erhalten.
Was macht gute Pressefotos aus?
Es gibt zahllose, teils abweichende Meinungen über die Qualitäten eines guten Pressefotos. Die technische Makellosigkeit versteht sich von selbst. Doch was ist mit dem Inhalt? Wir empfehlen unseren Kunden üblicherweise, auf Originalität, Details und emotionale Ansprache zu achten. Der renommierte Fotograf Dieter Georg Herbst nennt in seinem Buch (sehr zu empfehlen!) „Bilder, die ins Herz treffen. Presse-Fotos gestalten, PR-Bilder auswählen“ folgende Kriterien:
- sie erzählen Geschichten mit Menschen.
- sie bedienen Skripte, also bekannte Handlungsabläufe.
- sie sind einmalig.
- sie sind attraktiv durch Kontraste: (groß vs. klein, jung vs. alt, farblich…).
- sie haben eine klare Botschaft.
- sie sprechen emotional an.
Dave Charnley, ein weiterer erfahrener Fotograf, versucht es in einem einzigen Satz zusammen zu fassen: „[Pressefotos] erzählen eine Geschichte in einem einzigen Bild, sind anders, kreativ und enthalten echte Energie…“
Sowohl die Passauer Neue Presse als auch die Marketing-Börse geben eine Reihe von Hinweisen an die Hand, die bei Pressefotos zu beachten sind. Darunter diese:
- Tagesaktualität beachten
- Stimmige Bildaussage haben
- Bewegung zeigen
- Menschen zeigen
- Einen Teil für das Ganze zeigen
- Wesentliches zeigen
Auf der Ebene des Bildkomposition gibt Chuck Zoellner von der AP (auf dem Blog von Betty Ming Lu) folgende Tipps:
- befolgen Sie die Drittel-Regel
- Keine Angst vor verschwommenen Gestalten, um Bewegung oder Action zu vermitteln
- achten Sie auf einen gerader Horizont (oder nicht)
- natürliches Licht ist besser
Ans Eingemachte: preisgekrönte Pressefotos von 1992
Das Pressefoto 1992 ist hoch emotional: James Nachtwey ist der Fotograf, der eine trauernde Mutter bei der Beerdigung ihres verhungerten Kindes zeigt.
Das beste Pressefoto 1992: 1993 James Nachtwey WY https://t.co/gNIIe6vxyE
— Michael Höppner (@Michael_Hoppner) October 25, 2017
Das schwarz-weiß-Bild ist erschütternd und reduziert ein internationales Ereignis (die somalische Hungersnot) auf ein unmittelbar verständliches, menschliches Bild. Es ist in seiner Art einmalig, bedient das bekannte Skript von Trauer, Abschied und Beerdigung, besticht durch den Kontrast von Mensch und Leere; es vermittelt eine klare Botschaft.
Ein weiteres preisgekröntes Foto (in der Sparte Daily Life, Singles) ist ebenfalls in schwarz-weiß gehalten. Judah Passow zeigt eine Frau, die empört eine Pistole ablehnt, die ihr von einem Ungesehenen angeboten wird.
Preisgekröntes Bild 1992 in der Sparte Daily Life, Singles: 1993 Judah Passow DL1 https://t.co/toBa7GUukz
— Michael Höppner (@Michael_Hoppner) October 25, 2017
Hier ist der Geschichten-Charakter besonders stark; das Skript der Ablehnung von Waffen und Gewalt wirkt, der Betrachter wird vor die Frage gestellt: warum die Pistole? Welche Situation könnte dazu führen, dass man einer Seniorin eine Waffe anbieten würde? Was ist da los? Die Absurdität der Situation im Kleinen lenkt den Blick auf die eigentliche Story: das Schicksal vermeintlicher Kollaborateure in Palästina, die auf der Flucht vor Vergeltungsmaßnahmen sind. Ein Meisterstück des Storytelling.
Ausgesprochen bunt is dagegen der Preisträger in der Kategorie Science and Technology. Peter Ginter zeigt die Extraktion von DNA aus Plasma. Der Kontrast von rot und blau könnte nicht stärker sein und wirkt als starker Reiz, der zusätzliche Kontrast einer menschlichen und einer Roboterhand unterstreicht das Thema technischer Manipulation von lebendigen Wesen. Es wird auf einen Blick klar, dass hier zwei Welten aufeinander treffen, dass hier etwas einmaliges, nicht dagewesenes entsteht. Produkt- und Technologiebilder können nicht stärker sein.
Auch der Preisträger in der Kategorie Sport ist ein Hingucker: Dominik Obertreis Portrait eines jungen Athleten zeigt Mensch, Bewegung und Handlung, bedient das Skript der Trainingsübung – und wirft zugleich Fragen auf – über die Art der Sportstätte, des Trainingsgeräts. Auf den zweiten Blick wird klar, dass hier mit minimalen Mitteln gearbeitet wird: dem Hocker fehlt ein Bein, er ist ist mit Brettern abgestützt. Die Matte fehlt, deswegen verwendet man Schaumstoffschnipsel. Es entsteht ein Eindruck von Entschlossenheit und Entbehrungen, und damit eine passende Methapher für sportliche Wettkämpfe. Optisch besticht das Bild durch ein Raster an Linien – das Reck, die Fenster, die Struktur der Wand, der Hocker – die auf den jungen Athleten zulaufen und den Fokus auf ihn und seinen Haltung lenken (halb Vorbereitung, halb Siegespose).
Ein preisgekröntes Bild von 1992: 1993 Dominik Obertreis SPS1-AL https://t.co/C5cKS1eV5O
— Michael Höppner (@Michael_Hoppner) October 25, 2017
Die World Press Photo-Preisträger sind eindrucksvolle Beweise der Kraft guter Bilder. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dürfen sie nicht fehlen. Viele Unternehmen unterschätzen aber ihre Bedeutung oder scheuen die damit verbundenen Kosten. Doch gerade abstrakte, große Themen können auf diese Weise besser und eindrucksvoller vermittelt werden als in anderen Kanälen – den Text eingeschlossen – und das sage ich als Texter!
Bild: Von DerFalkVonFreyburg – Own work by uploader, CC-by-sa 3.0/de, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=3872861
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