Corporate Blogs und Blogging-Kampagnen können gefährlich sein – Der Fall Vodafone zur Warnung
Seit Wochen schon meutert die Web 2.0-, aber auch die PR-Branche über das aktuelle PR-Desaster bei Vodafone. vibrio-Kollege Alexander Broy kommentiert den aktuellen Fall auf Czyslansky, weshalb ich mir die Darstellung des ganzen Dramas an dieser Stelle sparen kann. Wer lese will, der folge dem Link.
Ergänzend sei an dieser Stelle nur noch die vermutlich schönste Persiflage auf den „Fall Vodafone“ erwähnt, ein kleiner feiner Text von Christian Sickendieck.
Was aber können wir aus der Sache für unsere PR 2.0-Aktivitäten lernen?
Eigentlich nur etwas, was wir alle schon wussten: Es ist nicht der Sinn von Web 2.0, dass sich Unternehmen schnell ein Bloggermäntelchen umhängen und auf irgendeiner Site gekaufte Profi-Blogger sich austoben dürfen. Das macht auch dann keinen Sinn, wenn es sich um einen vorgeblichen Corporate Blog auf der eigenen Site handelt. Unternehmen, die nicht selbst in der Lage sind, sich ins Web 2.0 einzubringen, sollten auch die Finger davon lassen, mit dieser Funktion stellvertretend „un“abhängige Blogger zu beauftragen. Wer hat denn etwas davon, wenn Profi-Blogger in solchen Corporate Blogs News und Meinungen absondern, die so oder so ähnlich schon tausendmal woanders zu lesen waren und die eben nicht den Meinungsfilter der Corporation hinter dem Blog wiedergeben? Auch wenn derzeit einige PR 2.0-Agenturen (in Wahrheit Redaktionsbüros mit Blog-Erfahrung) mit solchen Auftrags-Blogs schnellen Reibach machen: langfristig wird weder dieses Geschäftsmodell funktionieren, noch werden die beauftragenden Unternehmen glücklich und erfolgreich werden.
Viele Unternehmen haben zwar mal was von Web 2.0 gehört und wollen irgendwie „dabei sein“, so wie sie immer und überall „dabei sein“ wollen. Aber viele Unternehmen sind eben heute noch nicht soweit. Sie fürchten den Kontrollverlust, der mit Blogs vermeintlich einher geht, sie haben Angst vor der Meinung der Anderen, sie wollen ihre Mitarbeiter in allen ihren Äußerungen kontrollieren, oder – und das kommt fast noch häufiger vor: ihre Mitarbeiter haben nie gelernt ohne Freigabe „von oben“ öffentlich Position zu beziehen. Sie bestehen auf einer formalen Trennung zwischen Privatperson und Mitarbeiter-Rolle, die sich schon lange in der Realität auflöst. Für solche Unternehmen kann man als Agentur keinen Corporate Blog aufbauen. Corporate Blogs, in denen nicht das Unternehmen oder seine Mitarbeiter selbst sich äußern sind „Fakes“, ob sie wollen oder nicht.
Wir bei vibrio bauen auch Corporate Blogs auf. Aber wir tun dies, indem wir unsere Kunden „mitnehmen“, indem wir sie auf ihre Reise ins Web 2.0 begleiten. Die Postings sollten in der Regel von Mitarbeitern des Unternehmens selbst geschrieben werden. Wir helfen ihnen bei der Themenrecherche, wir helfen bei der Analyse der Web-Community, wir geben technische Hilfestellungen – aber niemals schreiben wir unter falschem Namen! Und wenn wir uns mit eigenem Namen äußern, dann bestehen wir darauf, dass wir nicht die einzigen sind auf dem Blog, dass das Unternehmen sich beteiligt, oder zumindest eine Community von Partnern, die wir gerne für unseren Kunden organisieren. Wenn PR-Leute auf den Blogs ihrer Kunden posten, dann darf das sein; es sollte aber die Ausnahme sein. PR 2.0 – das ist in meinen Augen die Qualifizierung der Unternehmen für die neuen Herausforderungen des Internet 2.0. Das ist keine Auftragsschreibe in Corporate Blogs.
Auf welchen meiner bloggenden Kunden ich zur Zeit besonders stolz bin? Auf DACOS, die nicht auf jeden Zug aufspringen, die nicht einfach nur „dabei“ sein wollen, sondern die gerade mühevoll und schnell die Eigenheiten des Web 2.0 kennen lernen. Die sich einmischen in ihren aktuellen fachöffentlichen Diskurs. Deren Retail Intelligence Blog lebt von seinen Schreibern aus dem Unternehmen. Das funktioniert, weil sich DACOS auf die Öffentlichkeit und die Kontroverse, die dem Web 2.0 zu eigen ist, einzustellen bereit ist. Das ist – in the long run – der richtige Weg.
Unternehmen, die sich ihren Corporate Blog von Profi-Bloggern schreiben lassen, verlieren auf Dauer mehr, als sie gewinnen:
– ihre Glaubwürdigkeit in der Community
– ihr Reaktionsvermögen in der Krise
– ihre Fähigkeit sich mit dem Web selbst weiter zu entwickeln.
noch ein kleiner lesetipp zur aktuellen entwicklung im fall vodafone im nachgang: https://www.opensourcepr.de/2009/07/21/vf-sabotage/
Ich verstehs nicht. Okay… die Pressekonferenz war Mist. Passiert. Aber: Man hätte bei Vodafone die Chance nutzen können, um zu sagen: Okay. Das war doof wir haben das verstanden. Übrigens: Hier sind die neuen, coolen Tarife für die Generation Upload. Aber das ging wohl nicht. Stattdessen nötigt man Frau Schutinger zum Web-Selbstmord. *kopfschüttel*