Der schleichende Tod der Computerpresse – Die PC Welt wird zum Handynavifotokeyboardvideospielewebplayerheftchen
Die Leitmedien der Computerpresse verlieren – bis auf die c’t – drastisch an verkaufter Auflage
Es vergeht kaum mehr eine Woche ohne Kündigungswellen oder die Einstellung mehr oder weniger etablierter Titel der Computerpresse. Dabei hat es in den letzten Monaten nicht nur liebgewonnene kleine Titel wie die Computerzeitung (die immer nur die Nummer 2 nach der Computerwoche war) oder die Network Computing erwischt. Auch die großen Leitblätter der Computerbranche stehen vor dem Abgrund: die verkaufte Auflage der PC Welt ist binnen Jahresfrist von 375.158 auf 333.271 abgestürzt, bei der CHIP von 378.796 auf 354.355 und bei der ComputerBILD von 671.525 auf 637.620. Einzig die c’t konnte von 335.665 auf 342.649 zulegen, zuletzt ging’s aber auch hier bergab.
Bei der PC Welt, die von allen Leitmagazinen am heftigsten Federn lassen musste, versucht der neue Chef Harald Kuppek nun das Ruder herumzureißen:
Am 6. August erscheint erstmals die um 32 Seiten aufgepeppte PC Welt Plus. Der neue Sonderteil beschäftigt sich nicht mehr mit Computern, sondern mit allem Möglichen rund um die Unterhaltungselektronik, vom Handy über Navigationssysteme bis zur Heimkinoanlage. Ergänzt werden die Hefte um eine begleitende DVD, die werbeträchtig auf dem Cover pappt. „Die PC Welt Plus ist … der nächste Schritt hin zu einem Ratgeber- und Wissensmagazin rund um die digitale Welt, ohne aber unsere Herkunft, den PC, zu verleugnen“, so lässt sich Canio Martino vom herausgebenden IDG-Verlag zitieren.
Die klassische Computerpresse stirbt einen langsamen Tod. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen man mit den besten WORD-Makros auf Leserfang gehen konnte. Der Computer ist längst ein elektronischer Konsumartikel geworden, und wächst zunehmend mit anderen Produktkategorien zusammen, vom digitalen Photoapparat mit integriertem Navi bis zum excelnden Handy. Ach was: der Computer selbst beginnt zu verschwinden in Schiefertafeln für das Internet (Apples Ei-Brett) und zahlreichen anderen mobilen Multifunktionsgeräten, die uns die Jackentaschen aufblähen. Letztlich gehen die Computermagazine mit ihrem Verschwinden dem Computer nur ein paar Jahre voran.
Über drei Jahrzehnte haben es sich Magazine wie CHIP, PC Welt, c’t, PC Magazin, PC Professional, win, DOS-International und PC Praxis zur Aufgabe gemacht, die Fehler des Computers auszumerzen. Es ging um Tipps (die damals noch mit einem „p“ auskamen)und Tricks, mit denen man leichter mit diesen ach so fehleranfälligen Rechenkisten klar kommen konnte. Ohne Chefredakteure wie Bader, Grabowsky, Hagedorn und Stübs wäre Microsoft niemals so erfolgreich und groß geworden, hätte sich der PC nie durchgesetzt.
Braucht es künftig ihre Magazine nicht mehr, weil der PC besser geworden ist? Nein, er ist nur dümmer geworden. Ein doofes iPad braucht keine großen Erklärungen mehr. Man guckt ja auch nur noch Filme damit. Der PC am Arbeitsplatz wird längst vom IT-Service gewartet. Und die moderne Kollegin kann an ihrem Microsoft Word kein bisschen mehr, als ihre Vorvorgängerin vor 15 Jahren. Noch immer ist jeder Serienbrief ein Zufallsprodukt, sind im Überarbeiten-Modus die Verfasser nicht erkennbar, wird zu Fuß formatiert wie in uralten WordStar-Zeiten. Kein Makro weit und breit. Und die Powerpoints und Excel-Tabellen sind vielleicht bunter geworden, aber kein bisschen eleganter. Alles umsonst. Der PC stirbt, noch ehe er erwachsen hätte werden können. Ihr Computer-Profis von Data Becker, IDG, Vogel, Weka und Ziff: eure ganze Mühe war umsonst. Euer Handwerk ist tot. Aus den alten Computermagazinen werden Handynavifotokeyboardvideospielewebplayerheftchen. The times they are a-changin‘.
Und ehe dieser Text jetzt allzusehr in falscher Melancholie ersäuft: den Kolleginnen und Kollegen der PC Welt wünsche ich alles Gute für das neue Heft-Konzept. Ihr geht den einzigen Weg, den man gehen kann: nach vorne!
Wenn ich mir die Verkaufszahlen von Windows 7 anschaue, dann scheint mir der Tod des PCs eine etwas vorschnelle Prophezeiung zu sein. Mag sein, dass derzeit eher iPhone, HTC und andere technische Gadgets hip sind. Aber das ist eine Modeerscheinung und vergeht auch wieder.
Der PC wird nach wie vor benötigt und heute sogar mehr genutzt als jemals zuvor. Und daheim oder im Kleinbüro gibt’s auch keinen technischen Support, der bei Problemen nach dem Rechten sieht. Das Problem der Computer-Zeitschriften ist m. E. ein anderes. Anfang der 90er Jahre verkaufte eine Zeitschrift wie die Chip rund 200000 Hefte im Monat, also deutlich weniger als heute. Dank der Anzeigen brachte das dem Verlag jedoch Gewinne ein, von denen die Nachfolger heute nur träumen können.
Und da liegt der Hase im Pfeffer begraben: Die heutigen Big Player wie Facebook, Apple, Google, aber natürlich auch immer noch Microsoft und Intel, haben an Print-Werbung offensichtlich wenig bis gar kein Interesse. Dabei könnten Facebook und Google ein paar Image-Anzeigen derzeit gut gebrauchen. Für eine Firma wie Xing hingegen wäre die Werbung eine Möglichkeit, sich gegen die amerikanische Konkurrenz besser zu behaupten. Was in den Köpfen der Marketing-Verantwortlichen bei diesen Unternehmen vor sich geht, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel.
wieviele Autozeitschriften gibt es eigentlich noch???