Die Zukunft der Zeitung

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Zukunft der Zeitung

Mein Kollege Markus Pflugbeil hat vor einigen Tagen an dieser Stelle in einem sehr klugen Beitrag erklärt, warum sich mit der Digitalisierung auch neue Formen des Journalismus entwickeln. Die Zukunft der Zeitung weist über die Zeitung hinaus. Es entstehen nicht nur neue Medien, sondern auch neue Formen der medialen Kommunikation. Und das ist gut so. 

Bleibt aber in diesem Szenario die Zeitung, wie wir sie heute kennen, auf der Strecke? Ich meine: Nein!

Der von mir gleichfalls sehr geschätzte Journalist Heribert Prantl – er gehört der Chefredaktion meiner geliebten Süddeutschen Zeitung an – verschickt alle paar Tage Meinungen und Deinungen per E-Mail. Gestern hat er sich über die Zukunft der Zeitung ausgelassen. Und zwar ganz so, wie auch ich das für richtig halte:

  1. Es wird immer Zeitungen geben, die nicht mehr gedruckt, sondern nur noch elektronisch erscheinen. Die taz diskutiert diesen Schritt ja gerade.
  2. Es wird auf absehbare Zeit immer auch noch gedruckte Zeitungen geben. 

Was heißt das konkret?

Die Zukunft der Zeitung findet nicht nur auf dem Papier statt

Heribert Prantl schreibt:

„Zeitung ist die Zeitung, die man auf Papier gedruckt, in der Hand hält, und Zeitung ist auch die Zeitung, die man auf dem Smartphone liest. Es kann gut sein, dass immer mehr Menschen die Zeitung auch oder nur online lesen wollen – das soll mir recht sein. Hauptsache sie lesen die Zeitung, ob digital oder analog. Zeitung ist auch die digitale Zeitung.

Wichtig ist nicht der Aggregatzustand des Journalismus, wichtig ist, dass die Journalisten und Verleger wissen, dass sie eine Aufgabe haben – und dass diese Aufgabe mit einem Grundrecht zu tun hat: Artikel 5 Grundgesetz, Pressefreiheit. Nicht für jeden Beruf gibt es ein eigenes, ganz spezielles Grundrecht, genau genommen nur für einen einzigen; das verpflichtet. Das verpflichtet zur Sachkunde, die sich mit Souveränität, Ausdauer, Neugierde, Sorgfalt und Aufklärungsinteresse paart.“

Die Zeitung definiert sich nicht über das Rascheln des Papiers, sondern über professionellen Journalismus. Und der ist heute nicht weniger wichtig, als in der Vergangenheit. Im Gegenteil:

im Zeitalter der „Lügenpolitik“ (ein bisschen zurückholzen muss erlaubt sein, gegen diejenigen, die ständig von einer „Lügenpresse“ fabulieren) und im Zeitalter von Trumpismus, alternativen Wahrheiten und dumpfer Gaulanderei tut aufklärerischer Journalismus Not. Und eine gute taz auf dem Smartphone ist nicht weniger Presse, als das Blatt am Kioskständer.

Die Zukunft der Zeitung in meinem Briefkasten ist aus Papier

Heribert Prantl schreibt weiter:

„Die gedruckte Zeitung wird nicht sterben, sie wird sich nur verändern. Nur die Tageszeitungen werden sterben, die sich nicht verändern. Das Internet ist nicht das Ende der gedruckten Zeitung; es nimmt der gedruckten Zeitung nur eine Aufgabe ab, die sie bisher, so gut es halt ging, zu erfüllen versuchte; bei der bloßen Vermeldung von Ereignissen kam und kommt die gedruckte Zeitung immer zu spät. Weil es das Internet, also bessere und schnellere Methoden bloßer Informationsvermittlung gibt, kann die gedruckte Zeitung sich auf anderes konzentrieren: auf Analyse, Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Gründlichkeit und Tiefgang – auf all das, was sich in der Hetze der Echtzeit im Internet nicht leisten lässt. … Das digitale Lesen wird der gedruckten Zeitung nicht den Garaus machen. Ganz viele Menschen wollen das Lesen auf Papier nicht missen, selbst den Digital Natives geht es bisweilen so, weil das Papiererlebnis ein Erlebnis der besonderen Art ist – und weil das gedruckte Wort fassbarer ist, weil die gedruckte Zeitung ein Anfang und ein Ende hat.“

Für mich – und offenbar auch für Heribert Prantl – gibt es genau zwei Produkte des Alltags, in denen Papier als Rohstoff niemals ersetzt werden kann: das Klopapier und die Tageszeitung. In Anlehnung an Loriots Möpse darf ich sagen: ein Frühstück ohne Tageszeitung ist möglich, aber sinnlos!

Papier ist geduldig – wie eine Wochenzeitung

Ja, es graut mir vor einem Zeitalter, in dem die Süddeutsche nicht mehr gedruckt, sondern nur noch downgeloaded wird. Ich habe – wie Prantl – das Alphabet in der Redaktion einer Tageszeitung gelernt, in der tagtäglich Information noch in Blei gesetzt wurde. Der Umstieg auf modernen Fotosatz hat die Arbeitsweise der Journalisten erheblich geändert, aber das Produkt Zeitung doch nur maßvoll verändert. Die Digitalisierung der Zeitung schafft aber ein völlig neues Produkt, in dem das sequentielle Lesen Stück für Stück durch anarchische Hypertext-Systeme und Filterblasen substituiert wird. Ich will das nicht.

Aber es wird um sich greifen. Und irgendwann – Heribert Prantl ist dann längst in Rente – wird auch die SZ als Tageszeitung nicht mehr auf Papier gedruckt werden. Davon bin ich leider überzeugt. Aber sie wird vielleicht oder wahrscheinlich als gedruckte Wochenzeitung noch viele Jahre überleben. Die Wochenendausgabe der SZ entwickelt sich schon immer mehr zur klassischen um einen aktuellen Sport-Teil ergänzten Wochenzeitung. Umfangreiche Hintergrundberichte und Themen-Specials – bei der SZ historisch korrekt aber trotzdem frivol „Buch“ genannt – haben Raum für das, was guten Journalismus immer noch ausmacht: „Analyse, Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Gründlichkeit und Tiefgang“. 

Die Wochenendausgabe der SZ ist die Zukunft der Zeitung. Und sie weist mir einen Ausweg aus dem langfristig drohenden Untergang der gedruckten Tageszeitung: das Abonnement von sechs gedruckten Wochenzeitungen. Drei stehen schon mal fest: die Zeit, die die taz und die SZ. Und die anderen drei werden sich auch noch finden. Auch künftig wird es neben dem Frühstücksei rascheln. Garantiert.

 

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