Gegen ein Zweiklassenrecht des geistigen Eigentums

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Ein Gastbeitrag von Georg Herrnleben, Director Zentral-, Osteuropa und MEA der Business Software Alliance für Zentraleuropa

 

 

Gibt es zweierlei Recht für Firmen und Privatpersonen? Wenn man an die jüngere Vergangenheit denkt, wo verantwortungslose Praktiken von Unternehmen größte Schäden in der Wirtschaft (Finanzkrise) und Umwelt (Ölpest am Golf von Mexiko) verursacht haben, liegt die Antwort auf der Hand: was für den Einzelnen Unrecht ist, muss es für Jeden sein. „Idem ius omnibus“ – Gleiches Recht für alle.

Doch offenbar wird dieses Empfinden auf den Kopf gestellt, wenn es um Raubkopien geht. Das legt eine Studie des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) erneut nahe. Sie hat die Meinungen und Erfahrungen zum Thema illegaler Kopien unter „Webaktiven“ erfragt hat – also unter solchen, die viel Zeit im Internet verbringen, und denen die technischen und rechtlichen Fragen ihres Online-Verhaltens bewusst sind. Das Ergebnis: 82 Prozent von ihnen lehnen Strafe für private Raubkopien ab – 81 Prozent aber befürworten sie für Unternehmen, die Urheberrechtlich geschützte Inhalte illegal nutzen. Was hält ein Experte von diesem Paradox? Ich fragte Georg Herrnleben vom vibrio-Kunden Business Software Alliance, und hier nimmt er Stellung:

Vier von fünf Onlinern wollen die illegale Nutzung von Software bei Firmen bestrafen und ebenso viele wollen sie im Privatbereich erlauben. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? In meiner langjährigen Arbeit für den Schutz des geistigen Eigentums habe ich eine Vielzahl von Begründungen gehört, warum Raubkopien, private zumal, ein Kavaliersdelikt seien: Sie verursachten keinen realen Schaden (weil niemandem etwas weggenommen wird), sie verursachten nur minimalen Schaden (weil nicht jede Raubkopie durch eine legal gekaufte Kopie ersetzt würde), sie seien Vorboten eines neuen Urheberrechts und neuer Vertriebskanäle (welche den Kreativen mehr Rechte und einen größeren Teil der Einnahmen sichern). Abgesehen davon, dass keine dieser Erklärungen der Überprüfung standhält, beantwortet keine die zentrale Frage: Ist es hinnehmbar, dass jemand einen Anderen wissentlich, absichtlich, in erheblichem Maße, wiederholt und wider geltendes Recht schädigt?

Ein weiteres Teilergebnis des IFSE-Studie eröffnet einen Blick auf eine mögliche Antwort. Unter denjenigen, die nach eigener Aussage in den letzten 3 Jahren mehr Raubkopien verwenden, werden folgende Gründe am häufigsten genannt:

– Bessere technische Ausrüstung

– Gestiegene Verfügbarkeit illegaler Inhalte

– Bessere Funktionalität illegaler Plattformen.

Die Psychologie kennt den Begriff der Rationalisierung. Er bezeichnet Fälle, in denen man „…Handlungen, die durch unbewusste Motive gesteuert werden […], nachträglich einen rationalen Sinn (gibt)“ (so die Wikipedia). Wenn man die beiden oben erwähnten Teilergebnisse der Studie gegenüberstellt, dann drängt sich der Verdacht auf, dass die Rechtfertigungen für die Nutzung illegal kopierter urheberrechtlich geschützter Inhalte in vielen Fällen der Tat nachträglich als Mäntelchen angezogen werden. Nicht der Freigeist der Internetcommunity, keine philosophische Ideologie eines neuen Urheberrechts, nicht einmal fehlende finanzielle Mittel oder zu hohe Preise sind die Hauptursachen. Es ist die Bequemlichkeit.

Den wahre, tieferen, moralischen Grund für Software-Piraterie? Es gibt ihn nicht. Es ist nur die unkomplizierte Verfügbarkeit eines großen Angebots. Und das gilt genauso für Unternehmer, die Software illegal nutzen.

Auch sie berufen sich gerne auf höhere Werte und finden vielleicht zum Teil sogar den Gebrauch von illegaler Software im Privatbereich schlimmer als in Unternehmen („Dadurch entstehen ja keine Arbeitsplätze“). Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen und nimmt für sich ein Sonderrecht in Anspruch: Der Webnutzer als über den Gesetzen stehender Herr des Internets, statt „Idem ius omnibus“ einfach „L’état c’est moi“. Aber das ist keine Zukunftsvision.

2 Kommentare
  1. Avatar
    Markus Pflugbeil says:

    Mir fällt noch das Motiv des „Habens“ ein: Die bequeme Verfügbarkeit sorgt dafür, dass alles Digitalisierte schnell und kostenlos zu haben ist: Musik, Filme, Bilder und eben auch Software. Ob man Zeit, Interesse und die Fähigkeit (bei Software) hat, das Angebot auch tatsächlich zu nutzen spielt gar keine Rolle. Es reicht Billig-Festplatten mit Terabyte voll mit Musik, Filmen und Software „zu haben“ bzw. zu horten. Also die Kostenlos-Mentalität: egal, ob ich es brauche oder nicht, wenn es kostenlos ist, hole ich es mir einfach mal – und wenn es im Regal verstaubt, würde man analog sagen.

    Gibt es eigentlich Studien darüber, ob die raubkopierte Software bei Privatanwendern auch tatsächlich eingesetzt wird? Ich meine, dass viele Raubkopierer gar nicht über das Wissen verfügen, Photoshop oder Access nutzbringend einzusetzen – dafür sind die Programme zu komplex und erfordern professionelles Fachwissen. Bzw. es sind Open Source Alternativen verfügbar, die die wenigen genutzten Funktionen einfacher, kostenlos und legal bieten.

  2. Avatar
    Georg Herrnleben says:

    Sie sprechen hier einen interessanten Aspekt an, nämlich den der „Jäger & Sammler“ Mentalität. Obgleich es meiner Erkenntnis nach zu diesem Thema keine valide Untersuchungen gibt, könnte man diesem Einwand zustimmen. Vielleicht gibt es tatsächlich Privatanwender, welche die illegal beschafften Softwareprogramme aufgrund ihrer Komplexität nicht in vollem Ausmass nutzen. Nur, ist dies der entscheidende Aspekt der Debatte? Man kann es drehen und wenden wie man will – am Ende läuft diese Diskussion auf die eine Frage hinaus: kann unmoralisches Verhalten – mitnichten der Verstoss gegen Gesetze – mit diesen Argumenten gerechtfertigt werden? Wer entscheidet darüber und wer zieht hier die Grenze? Letztendlich definiert sich der gesellschaftliche Konsens über die Konformität mit unseren Gesetzen – wenn man hier Übereinstimmung erzielt, kann auch sachlich und auf Augenhöhe über dieses Thema diskutiert werden.

    Und vielleicht noch ein abschliessender Kommentar zum Thema Open Source: Seit Jahr und Tag wird die BSA mit dem Argument der attraktiven Open Source Alternativen konfrontiert. Leider konnte mir aber noch niemand erklären, weshalb wir dennoch eine gleichbleibende bzw. leicht steigende Piraterierate (kommerzieller) Softwareprogramme in Deutschland zu verzeichnen haben. Seltsam, oder?

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