Frau Mayer, fühlen Sie sich einsam?
Mitte dieser Woche war Yahoo-Chefin Marissa Mayer in aller Munde – aber nicht, weil das Unternehmen endlich wieder Erfolge verbuchen kann, sondern weil Sie ihre Mitarbeiter zurück ins Büro beorderte und dem ungezügelten Home Office (oder „HO“) damit ein jähes Ende setzte. Vibrio praktiziert das Arbeiten von zu Hause schon seit mehreren Jahren und natürlich haben auch wir eine Einschätzung zum Home Office.
Home Office wird gerne als Aushängeschild für moderne Unternehmensphilosophie genutzt. Was steckt dahinter? Trends wie BYOD, wachsende Mobilität und Verlagerung von Geschäftsprozessen in die Cloud lassen uns glauben, das Büro und der tägliche Gang zur Arbeit gehören der Vergangenheit an. Aber schon der allmorgendliche Pendlerverkehr zeigt: ganz so weit ist es noch nicht.
„Ich bin morgen im Home Office“
Auch bei uns kommen alle Teammitglieder regelmäßig nach Unterschleißheim – ob zum wöchentlichen Agenturmeeting oder für verschiedene Projekte. Das sorgt für mehr Teamzusammenhalt und auch unsere Kunden beruhigt das sicherlich. Lesen wir: „Ich bin morgen im Home Office“ denken wir „Der ist morgen nicht erreichbar“. Und die technischen Hürden, die öfter mal einen Hilferuf aus den heimatlichen Arbeitszimmern provozieren, tun ihr Übriges.
Trotzdem finden wir Home Office gut. Weil wir nicht nur gute Teamarbeit schätzen, sondern auch glückliche Kollegen. Und ganz ehrlich: Wer ist schon begeistert, wenn er Urlaub nehmen muss, nur weil die jährliche Heizungsablesung ansteht? Außerdem haben wir bei vibrio alle eine große Motivation – wenn Projekte (aktuell ist das natürlich die CeBIT) in die heiße Phase gehen, übergeben wir Aufgaben nicht gerne unvollendet, nur weil das Kind plötzlich krank ist.
Kind, Kegel und Konzentration
Kinder, Familie und Beruf werden auch ganz gerne angeführt, wenn‘s um die Vorteile vom Arbeitsplatz am Küchentisch geht. Aber wird die Work-Life Balance beiden Seiten gerecht? Arbeiten wir zu Hause immer vernünftig? Wenn der Hund um eine Runde Gassi bettelt oder der Sohn in seinem Zimmer die Stereoanlage voll aufdreht? Ablenkungen gibt es genug.
Mayer irrt, wenn Sie HO für Teamfeindlich hält
Kollegen wachsen nur langsam in Teams zusammen – wechseln die Mitarbeiter zu oft, klappt das Teamwork nicht, auch wenn alle im selben Büro sitzen. Und: Ein Mitarbeiter wird wertvoller, je länger er im Unternehmen ist. Mit der Möglichkeit für jeden Einzelnen, den Laptop und den Arm zu klemmen und sich der Arbeit vom Küchentisch aus zu widmen, binden Firmen Mitarbeiter(innen), auch wenn neue (Familien-) Aufgaben warten. Erfahrungsschatz und Wissen bleiben so im Unternehmen. Gerade in der PR, wo man ein Händchen für die Medien und ein Gespür für Themen entwickeln muss, sind die langjährigen Erfahrungen der Kollegen und die entsprechenden Tipps sehr hilfreich – und wir Küken möchten darauf nicht verzichten! (und wenn es per Instant Messaging aus dem Nachbardorf ist)
Vielleicht fühlt sich Frau Mayer aber auch einfach einsam an der Spitze eines Unternehmens, das Lösungen finden muss – und der Brief an die Mitarbeiter ist ein mutiger Ruf nach Hilfe und Unterstützung. Vor diesem Schritt muss man wohl den Hut ziehen. Sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht und zu hoffen, dass die Mitarbeiter für das Wohl eines Unternehmens zu Zugeständnissen bereit sind verlangt viel Mut!
Was man jetzt so hört, waren es wohl ganz spezifische Gründe, die bei Frau Mayer dazu geführt haben, dass sie Home Offices geschlossen hat. Deshalb mag sie sich vermutlich dazu auch auf keine Grundsatzdiskussion einlassen, wie der Business Insider hier berichtet. https://www.businessinsider.com/marissa-mayers-response-to-the-anger-over-yahoos-work-from-home-ban-let-it-blow-over-2013-3?0=sai
Ich denke, die Mitte ist hier erstrebenswert.
Täglich möchte ich persönlich gar nicht im HO sitzen, weil mir der fachliche und soziale Austausch mit den Kollegen fehlen würde. Mal kurz in die Runde gefragt, sind Dinge häufig schneller und umfassender geklärt, als dass man sie mit sich selbst im HO ausmacht oder langwierig ins Messaging Tool eingibt. Aber die Möglichkeit, sich mal zum Texten verschanzen oder während der Arbeit das im Fieber schlafende Kind beaufsichtigen zu können – das ist Gold wert.
Was mich aber immer wieder verwundert und was ich schlichtweg als nicht zeitgemäß empfinde, ist die No-HO-Strategie mancher Großunternehmen, die unter irgendeinem Deckmantel (Datenschutz, Unternehmenskultur) die Möglichkeit mal spontan im HO bleiben zu können, komplett verwehren. Dann muss sich der Mitarbeiter Urlaub nehmen, weil der Hund Magenprobleme hat oder fällt wegen Erkrankung des Kindes eine Woche aus. Zeit und Manpower, die dem Unternehmen für wichtige Projekte fehlen.
Wer das HO ausnutzt, um seinen privaten Kram zu erledigen, ist schlichtweg nicht loyal. Häufen sich die Fälle solcher frustrierter, unengagierter Mitarbeiter, sollte das Unternehmen dringend prüfen woran das liegt und Führungskompetenz zeigen…