Herausforderung für die PR: Der Zulieferer vom Zulieferer vom Zulieferer vom…
Produktionsbäder, die stillstehen, Mitarbeiter in Kurzarbeit und LKWs, die auf gerichtlichen Beschluss hin Teile aus einer anderen Lagerhalle holen. Szenarien, die im Streit zwischen VW und dem Zulieferer Prevent vergangene Woche Realität wurden. Landauf landab haben daraufhin die Medien mit einem Unterton des Erstaunens berichtet, dass angeblich bis zu 75 Prozent eines Autos gar nicht mehr vom Hersteller selbst entwickelt und produziert werden. Ich habe mich gewundert, dass das Journalisten wundert, denn für PR-ler in der B2B-Kommunikation ist das Geflecht der Zulieferer nichts Neues und zugleich besonders anspruchsvoll. Warum?
Ein Auto besteht heute aus bis zu 10.000 Einzelteilen. Darunter befinden sich hochkomplexe, elektronische Teile genauso wie vermeintlich simple Stücke wie die Plastikverkleidung des Blinkers. Viele kommen längst nicht mehr vom Hersteller selbst. Mich wundert das nicht: Ich habe allein über zehn Freunde, die im Automobilsektor arbeiten, aber nur drei davon sind tatsächlich beim Hersteller beschäftigt. Der Rest plant, berät und entwickelt für einen „Hidden Champion“. Häufig findet die Arbeit sogar beim Kunden vor Ort oder remote mit einer Standleitung, die hoch verschlüsselt und gesichert ist statt.
Von der Last, ein Genie zu sein
Wie vielfältig die Welt der Zulieferer aber tatsächlich ist, habe ich erst bei vibrio erfahren. Entweder, weil wir selbst einen der Zulieferer als Kunden betreuen, oder weil sie mit einem Zulieferer an einem streng geheimen Projekt arbeiten. Sogar bis in die IT-Welt reicht diese Spezialisierung, wie FACTON, ein frischer Kunde von vibrio, zeigt. Und genau das ist der Knackpunkt: Viele dieser Unternehmen, häufig Mittelständler, haben Fähigkeiten, die sonst keiner hat. Sie sind Genies auf ihrem Gebiet, Weltmarktführer und High-Tech-Unternehmen. Sie in die Medien zu bringen, ist gar nicht so leicht. Die Referenzen, die Fachjournalisten wünschen, können wir nämlich nur selten bieten. Der Grund sind die Lösungen und die Verschwiegenheit der Branche.
Zulieferer-PR: Storytelling für Fortgeschrittene
Nehmen wir mal die Schreiner Group, ein Familienunternehmen aus Oberschleißheim und schon seit 2009 unser Kunde. Eines der Geschäftsfelder ist die Branche Automotive, das Spezialgebiet sind RFID-Label und selbstklebende Funktionsteile. So genannte Druckausgleichselemente sorgen beispielsweise für die Be- und Entlüftung der empfindlichen Elektronik. Ebenfalls aus dem Hause Schreiner kommen Klebelaschen, die den Airbag da halten, wo er halten soll und ihn im richtigen Moment freigeben, oder Labels für die Getriebekennzeichnung. Die Liste lässt sich lang fortsetzen, allen ist aber gemeinsam: Für so kleine Etiketten erfüllen sie ganz schön komplexe Aufgaben. Zudem sind die Lösungen der Schreiner Group häufig Teil eines anderen Zulieferer-Produkts wie etwa den Dieseleinspritzsystemen von Bosch oder sie werden nur im Rahmen der Fertigung genutzt. Die Herausforderung Nr. 1 lautet also: Komplexe, erklärungsbedürftige Lösungen in eine anschauliche und für die Medien (und den Leser) attraktive Geschichte zu verpacken.
Mehr als 300 Label fahren in Ihrem Auto mit
In Ihrem Auto ist kein RFID-Label oder sonst ein Etikett von Schreiner? Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher. Immerhin können, so die Schreiner Group auf ihrem Blog, bis zu 300 eigene Lösungen in einem Auto verbaut sein. Damit haben wir ein sehr gutes Beispiel für die PR-Herausforderung Nr. 2: Die Herstellung eines Autos ist so kleinteilig und in so viele Stufen und Teilprozesse gegliedert, dass es oft schwer ist, die Relevanz eines Zulieferers zu vermitteln.
Schade nur, dass wir nicht immer alle Ideen verwirklichen können. Der Grund sind die Spielregeln der Branche, in der die Hersteller gerne unabhängig wirken wollen. Das macht so wunderbare Projekte wie Anwendergeschichten, Erfolgsmeldungen oder gemeinsame Interviews zu Trends und Technologien zu sehr begehrten und seltenen Höhepunkten. Dies ist die dritte und größte Herausforderung: Erzähle eine Geschichte über ein tolles Unternehmen, ein faszinierendes Produkt, aber sag nicht wie, wo und was.
Aber gute Geschichten erzählen und Aufmerksamkeit für eine Marke zu erzielen ist ja unser Spezialgebiet. Unser Erfolgsrezept für die Schreiner Group, das uns jedes Jahr hunderte Veröffentlichungen beschert: tolles Bildmaterial, wie von der Gautschfeier….
Experten, die sowohl in Fachbeiträgen oder Statements zu Wort kommen….
…und natürlich die Lösungen und Unternehmensneuigkeiten selbst. Die locken auch immer mal wieder so namhafte Blätter wie das Handelsblatt oder den Bayerischen Rundfunk in die Provinz nach Oberschleißheim.
Umparken im PR-Kopf
Vielleicht hat dieser Streit mit Zulieferern, der VW angeblich bis zu 100.000 Millionen Euro kosten soll, auch etwas Gutes: Die Welt weiß jetzt, dass Autohersteller mehr Marken- und Geheimniswahrer sind als die wirklichen Genies der Fahrzeugentwicklung. Die Welt weiß jetzt, dass Zulieferer, und seien sie auch noch so unbekannt, eine enorme Macht haben. Für Agenturen wie uns ist das eine Chance, die wir nutzen können, um die spannenden Geschichten von Schreiner Group, FACTON & Co. noch öfter in die Medien zu bringen.
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