Jeder sein eigener Twitter-Redakteur: paper.li erlaubt nun Streichung, Titelgeschichte und Personalisierung

Es ist gut 2 Monate her, dass ich paper.li für mich entdeckt hatte. Der kostenlose Dienst sammelt Twitter- und Facebookupdates zu bestimmten Themen und baut daraus eine optisch akzeptable Zeitung. Damals war ich vorsichtig optimistisch. Kritik hatte ich vor allem an der fehlenden Möglichkeit, die automatsich erstellten paper.li-Ausgaben händisch zu pflegen: Was nutzen mir Beiträge über delphische Kultstätten im Technologieblatt von Oracle?

Als hätte in der Schweiz jemand meinen Blogeintrag gelesen ist paper.li jetzt um diese – und noch ein paar andere – Funktionen reicher. Ich habe damit gespielt, und nebenbei noch ein paar historischen Parallelen von paper.li zum Zeitschriftenwesen entdeckt, die mich schmunzeln ließen.

So hat die Bezeichnung einer Zeitschrift als „Magazin“ eine direkte Verbindung zum Konzept von paper.li. Im Jahr 1731 nämlich war es The Gentleman’s Magazine, das als erstes Blatt diese Bezeichnung für sich wählte. Damit sollte angezeigt werden, dass es ein Arsenal an verschiedenen, nützlichen Dingen enthielt: News und Storys, die Herausgeber Edward Cave aus anderen Blättern entliehen hatte. Das damalige Urheberrecht, noch in den Kinderschuhen, schütze nämlich die Inhalte von Periodika nicht. Mehr noch: Cave brüstet sich damit, keine eigenen Texte zu veröffentlichen, und also auf keine Meinung zu vertreten.

Es ist natürlich ein Trugschluss zu meinen, dass die Auswahl von Quellmaterial nicht genau so stark die Blattlinie prägt wie das eigenhändige Schreiben. Trotzdem kann The Gentleman’s Magazine gleichzeitig als Urvater der Magazine und der paper.li gelten. Diese bieten mit ihrem neusten Update die Möglichkeit, unliebsame Artikel aus fertigen Ausgaben zu streichen, und eröffnet dem Herausgeber die Möglichkeit, einen der Beiträge zur Titelstory zu küren. Beides sind eigentlich unabdingbare Tools, um das oftmals unvorhersehbare Aggregat aus Tweets zu pflegen. Ich hatte zum Beispiel in einer Hobby-paper.li eine Woche lang ständig eine Meldung über Dressurreiten, was vom Thema meines paper.li so weit weg war wie Jamaika von den USA (warum dieser Vergleich? Wir kommen weiter unten darauf zurück). Mehrmals versuchte ich den Suchalgorithmus zu verbessern – vergeblich. Jetzt ist es mit zwei Klicks erledigt.

Neu auch: die Fusion von Facebook-Updates und Tweets in einer Ausgabe. Ich hatte mich darüber beschwert, dass es nicht möglich wäre. Vorbei. Immer noch aktuell aber: die Facebook-Funktion funktioniert nicht. Schlicht und ergreifend habe ich noch kein einziges Ergebnis aus Facebook bekommen.

paperli-BedienoberflächeEinen eigenen Hintergrund für die paper.li zu wählen ist ein weiteres nettes Extra, ebenso ein paar Tweaks am Veröffentlichungsmodus und eine generell benutzerfreundlichere Bedienoberfläche. Bisher musste man krytische Suchabfragen händisch einkopieren („Rad OR Fahrrad OR Rennrad -Stützrad -Motor filter:links langauge:German“ – wer soll das verstehen?), jetzt sieht das Interface sehr viel bedienbarerer aus.

paper.li entwickelt sich immer mehr zu einem ernst zu nehmenden Werkzeug für die Social-Media-Kommunikation. Ich bin bisher auch auf gute Akzeptanz gestoßen, gleich ob es um unsere internes vibrio-Team Zeitung geht oder um den Urheberrechts-Aggregator. SmallRivers, Schaffer von paper.li, könnte damit gelingen, was The Gentleman’s Magazine sich schon in sein Motto schrieb: E Pluribus Unum, „aus vielen eines“, was lange Jahre das inoffizielle Motto der USA war, oder als „Out Of Many One People“ der Wahlspruch Jamaikas.

Warum Jamaika? Es muss am Wetter liegen. Sommer in Unterschleißheim.

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