Mit PR in Google News: ein alter Hut in neuen Schläuchen?
PR in Google News: Wozu braucht es eigentlich unabhängige Medien, wenn PR-Leute künftig ihre Pressebotschaften direkt in Google einschleusen können? Steht diese Frage wirklich auf der Agenda?
Reuters überraschte vor wenigen Tagen mit der Meldung „Google change allows company statements to top news searches„. Und prompt wurde aus dieser Meldung ein grundlegender Paradigmenwechsel der Unternehmenskommunikation. Florian Harms, Chefredakteur von Spiegel Online, bezeichnete den Vorgang in einem Tweet als „Dammbruch“. Und Jens Rehländer, ehemaliger Redaktionsleiter von GEO.de leitete mit diesem Zitat dann auch seine Warnung an die Ex-Kollegen ein: „Journalisten! 5 Gründe, warum euch Google jetzt nicht mehr braucht„.
PR in Google News: Was ist neu an der Google-Politik?
Folgt man der Reuters-Meldung, so hat Google im vergangenen September seinen Algorithmus für die News-Suche geändert.
Bis dato wurde in die Suchergebnisse von Google News nur Meldungen von registrierten Nachrichtenseiten klassischer Medien wie Fernsehsender oder Zeitungen aufgenommen. Dann wird eine Google-Sprecherin zitiert:
„The goal of search is to get users the right answer at any one time as quickly as possible — that may mean returning an article from an established publisher or from a smaller niche publisher or indeed it might be a press release“
Sind also News-Suchergebnisse, wie dieses hier, in dem vibrio in einer Presseinformation einen Messeauftritt des Kunden LANCOM Systems ankündigt neu?
Nein – sind sie nicht. Man beachte nur einmal diese kleine Meldung aus dem Jahr 2007 (!):
Googles Definition redaktioneller Quellen war immer schon ein wenig „unklar“, oder wie sollte man das nennen, dass die Meldungen sogenannter „Presseschleudern“, also von Online-Anbietern, die nichts anderes tun, als Pressemeldungen der Industrie mehr oder weniger unverlangt zu verbreiten, immer wieder Eingang in die Google-News-Ergebnisse fanden? Wir haben uns hier auf dem vibrio Blog schon im Jahr 2009 unter dem Titel WIE MAN PRESSEMITTEILUNGEN FÜR GOOGLE NEWS OPTIMIERT damit auseinandergesetzt, wie Pressebilder aufzubereiten sind, damit sie leichter Eingang in die wichtigen Google-Such-Ergebnisse als „News“ finden.
Die Grenzen zwischen PR und Journalismus sind schon lange nicht mehr scharf zu ziehen. Und das ist nicht einfach die Schuld der PR-Leute.
Wenn der unabhängige Journalismus verkommt
Seit Jahren nehmen die anzüglichen Angebote „unabhängiger“ Medien in den PR-Agenturen über Hand. Artikel werden nicht nur unverblümt gegen Anzeigenschaltung angeboten, sondern ich habe hier auch Briefe und E-Mails von Herausgebern und Chefredakteuren (!) im Giftschrank, in denen wir gebeten werden, alle Journalisten des Verlags aus den Presseverteilern zu nehmen, solange unser Kunde nicht mit Anzeigen das geneigte Blatt zu subventionieren bereit ist. Jeder PR-Profi wird ähnliche Geschichten kennen und es geht beileibe nicht nur um Nischen-Nischen-Blätter in engen Fachbereichen wie Medien zur Geschäftsprozessoptimierung zu Zeiten der byzantinischen Frühgeschichte.
Wenn PR zum Journalismus wird
Andererseits haben nicht zuletzt die neuen sozialen Medien dazu geführt, dass sich die PR-Schreiberlinge Gedanken um Dinge wie Lesernutzen, Leser-Blatt-Bindung und die Anforderungen von „Endkunden“ machen – Dinge, mit denen sich früher allenfalls klassische Blattmacher in unabhängigen Redaktionsstuben auseinandersetzten. Schließlich verfügen Pressestellen, Pressesprecher und PR-Menschen immer öfter über starke eigene soziale Medien, über Blogs, Twitter-Kanäle, Google+- und Facebook-Seiten, die sich direkt an Leser wenden und nicht mehr auf die „Übersetzung“ von Journalisten angewiesen sind. Die Blogs, auf denen ich unterwegs bin, sind zum Teil schon lange von Google als seriöse „News-Quellen“ angesehen. Und mit Verlaub: sie sind es auch!
Eine Frage der Ehre
Gute PR-Leute sind keine schlechteren Journalisten als Angestellte von Verlagshäusern. Und sie sind häufig noch nicht einmal mehr als diese an Weisungen gebunden. PR-Schreiber, die ihre Profession und ihre Leser ernst nehmen, machen deutlich, wenn es zu Interessenskonflikten oder Abhängigen kommen kann. Schreibe ich irgendwo über einen meiner Kunden, so mache ich meine wirtschaftliche Verbundenheit mit diesem Kunden immer auch klar.
Andererseits kenne ich in der Tat auch zahlreiche Social-Media-Professionals, die Tweets und Postings für ihre Kunden absetzen ohne entsprechenden Hinweis. Da gibt es auch das Geschäftsmodell „pay per tweet“. Meistens allerdings sieht man das diesen „Tipps“ auch gut an und ich für meinen Teil entfolge solchen Schreiberlingen gerne, weil ich wissen will, ob ein Kollege das empfohlene Auto wirklich gut findet, oder ob er einfach als Auftragsschreiberling unterwegs ist.
PR in Google News: Google folgt dem Markt – dieses Mal zumindest
Die Indifferenz zwischen Berichterstattung, Meinung und „Werbung“ nimmt im Zeitalter der sozialen Medien zu – ob wir dies nun wollen oder nicht. Letztlich geht es darum, wem der Leser vertrauen will. Ein Verlagsabsender ist schon lange nicht mehr ausreichend zum Nachweis journalistischer Unabhängigkeit. Insofern folgt Google mit seiner Entscheidung nun auch offiziell Pressemeldungen in seine News-Ergebnisse aufzunehmen nur einem Trend, der sich längst breit gemacht hat. Für uns PR-Menschen werden sich damit die Anforderungen wie auch für Journalisten noch ein Stückchen mehr in Richtung SEO verändern: wir alle schreiben für den Leser – und für Google. Ich hätte diesen Beitrag auch gerne mit einer anderen Formulierug als „PR in Google News“ begonnen. Aber wenn man Keyword-Optimierung in Blog Postings wie auch in Presseinformationen betreiben will …
Ja, wohl wahr – aber momentan ist die Branche durchaus im Umbruch. Die NYT stellt ihr kompletten Artikel auf Facebook, Google definiert neue „Genres“… hab kürzlich auch was dazu geschrieben: https://datadirt.net/ajrv