Vom fehlenden Respekt im Pitch und den Leiden in Agenturausschreibungen

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Wenn sich in irgendeiner Münchener Bar mehr als zwei Agenturmenschen treffen, dann kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass im Laufe des Abends und nach den ersten drei Runden Killepitsch (düsseldorferisch für „kill the pitch“) das große gemeinsame Fluchen über Pitch-Erfahrungen beginnt: über junge Schnösel, die auf Kunden-Seite eitel unwissend über sechsstellige Agentur-Budgets entscheiden, als wäre es ihre Urlaubskasse, über Einladungen in Wettbewerbe, die schon vor dem ersten Termin entschieden sind, über Ausschreibungen, die lediglich der preiswerten Recherche nach Kreativlösungen dienen, über Pitches, die auf Grundlage mehrseitiger Briefingbücher ein Kreativkonzept inklusive finaler Kostenrecherche, Media-Verteiler und auf die Minute geplante Aktionspläne erwarten – das Budget wurde sicherheitshalber natürlich nicht kommuniziert, sonst hätte die eingeladene Agentur kaum drei Manntage in die Bewerbung investiert.

Ja, wir Agentur-Menschen sind elende Jammerlappen und der hohen Ehre zu Pitches überhaupt nur eingeladen zu werden, gar nicht wert.

Ich liebe Pitches. Ich liebe es, mich mit neuen Unternehmen und deren Herausforderungen auseinanderzusetzen. Ich gehe auch gerne und streitlustig in die Diskussion mit Geschäftsführern, Marketing- und PR-Verantwortlichen. Es macht mir Spaß. Aber ich erwarte im Gegenzug ein Mindestmaß an Respekt. 

Vor vielen Jahren habe ich Einladungen zu Ausschreibungen ohne Pitch-Honorar schlichtweg ausgeschlagen.

Das kann man sich heute gar nicht mehr leisten. Um so mehr freute ich mich, als ich vor ein paar Wochen mal wieder mit einem umfangreichen und detaillierten Briefing und der Zusage zu einem – bescheidenem, aber immerhin den guten Willen illustrierendem –   Pitch-Honorar konfrontiert war. Aufgabe und Aufgabensteller waren ausgesprochen spannend und wir haben gerne alles in allem rund fünf Manntage in unser Konzept investiert. 

Auch die Vorstellung des Bewertungsverfahrens machte einen professionellen Eindruck:

Das höchste Z(Angebot) sollte den Zuschlag erhalten.

Das war’s dann aber auch. Nach der Präsentation hörten wir erstmal mehrere Wochen gar nichts mehr. Direkte Anfragen bei einer verantwortlichen Ansprechpartnerin blieben unbeantwortet. Eine E-Mail-Anfrage an die Teilnehmer der Pitch-Diskussion blieb ebenfalls unbeantwortet. Schließlich erreichte mich ein Fax der Einkaufsabteilung:

„Sehr geehrte Damen und Herren, auf Ihre Anfrage vom [leeres Datumsfeld] teile ich mit: … Ihr Hauptangebot war nicht das wirtschaftlichste. …  Diese Mitteilung ist abschließend. Mit freundlichen Grüßen i.A. [leeres Unterschriftsfeld]. Vorliegendes Schreiben wurde elektronisch erstellt und ist auch ohne Unterschrift gültig.“

Hier ging es doch nicht um das Einholen des günstigsten Angebots für die Errichtung einer Trockenmauer, sondern um ein strategisches und kreatives Konzept. Und ich erwarte schon, dass man kurz Position bezieht und eine Absage wenigstens kurz qualitativ begründet. Und ich erwarte auch eine persönliche Absage und nicht einen Computerausdruck, der mich noch nicht einmal namentlich kennt.  Und ich erwarte einen Bezug auf meine Anfrage und nicht ein leeres Datumsfeld. Und ich erwarte einen Hinweis auf die Abwicklung des zugesagten Präsentationshonorars.

Nichts von alledem. Also frage ich bei der Einkaufsabteilung an, an wen ich denn die Honorarrechnung senden darf. Auch diese Mail blieb bis heute unbeantwortet.

Zur Professionalität gehört nicht nur ein ordentliches Briefing, sondern auch ein wenig menschlicher Anstand, ein wenig persönlicher Respekt. Kleine Unternehmen sind oft überfordert, wenn es um saubere Briefings geht. Und das ist auch in Ordnung und findet mein Verständnis. Große Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen aber sollten nicht nur in der Lage sein ordentliche Briefings abzuliefern. Zur Professionalität gehört auch menschlicher Anstand und persönlicher Respekt. Und Seriosität in Bezug auf ausgelobte Pitchhonorare. Agenturen sind Dienstleistungspartner auf Augenhöhe, keine namenlosen Arbeitssklaven. Das musste jetzt einfach mal gesagt werden, oder?

2 Kommentare
  1. Alexander Gerber says:

    Hallo Michael, hallo Welt,

    das hier beschriebene Vorgehen zieht sich in meiner Welt weiter durch die Projekte. Die einen können es, die anderen nicht.

    Um mir und den übrigen Beteiligten Ärger und Energieverlust zu ersparen, habe ich eine Sequenz beschrieben, mit der man zuverlässig bestimmen kann, ob man zueinander kommt oder nicht.

    Der Punkt Augenhöhe ist dabei der zweite Schritt nach der Akzeptanz von „alles ist möglich“ auf dem sog. roten Pfad.

    Mehr dazu hier:
    https://up2u.blog/2017/04/05/up2u-in-a-brief/
    … wegen Reichweitenerhöhung alles auf Englisch.

    Gruß aus Leipzig

    Alexander

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