Post vom Datenschutzbeauftragten
Ende vergangener Woche erhielt ich einen besorgten Anruf aus dem rheinland-pfälzischem Wirtschaftsministerium: der dortige Landesdatenschutzbeauftragte bitte darum, im Rahmen meines Vortrags über „Social Media als strategisches Kommunikationsinstrument“ vor rheinland-pfälzischen Wirtschaftsförderern keine Werbung für Facebook zu machen. Er schreibt: „Ich wäre Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, deshalb dankbar, wenn bei der eingangs genannten Veranstaltung nicht für den Einsatz solcher Facebook-Seiten geworben, sondern deutlich gemacht würde, dass ein solcher Einsatz möglicherweise gar nicht datenschutzkonform möglich ist.“
Nun ist man im Ministerium ein wenig verunsichert. Dabei hat der Mann ja eigentlich recht. „Eigentlich“.
Um was geht es?
Auf Einladung des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministeriums werde ich am 19. September im schönen Schloss Rheinfels mit regionalen Wirtschaftsförderern des Landes über die Möglichkeiten sozialer Medien in der Wirtschaftsförderung und im Standortmarketing diskutieren. Auf Grund der öffentlichen Ankündigung von Veranstaltung und Vortrag brachte nun der Landesdatenschutzbeauftragte Edgar Wagner seine Bedenken gegenüber Facebook ein. Dabei bezieht er sich auf die inzwischen schon etwas ältere Entschließung der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 28./29. September 2011.
Aus der öffentlichen Wahrnehmung ist diese Entschließung in letzter Zeit ein wenig verschwunden, gültig ist sie aber noch immer. Und dort heisst es u.a.:
„Die Konferenz stellt insbesondere fest, dass die direkte Einbindung von Social-Plugins beispielsweise von Facebook, Google+, Twitter und anderen Plattformbetreibern in die Webseiten deutscher Anbieter ohne hinreichende Information der Internet-Nutzenden und ohne Einräumung eines Wahlrechtes nicht mit deutschen und europäischen Datenschutzstandards in Einklang steht. Die aktuelle von Social-Plugin-Anbietern vorgesehene Funktionsweise ist unzulässig, wenn bereits durch den Besuch einer Webseite und auch ohne Klick auf beispielsweise den „Gefällt-mir“-Knopf eine Übermittlung von Nutzendendaten in die USA ausgelöst wird, auch wenn die Nutzenden gar nicht bei der entsprechenden Plattform registriert sind. …
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern daher alle öffentlichen Stellen auf, von der Nutzung von Social-Plugins abzusehen, die den geltenden Standards nicht genügen. Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf den Seiten öffentlicher Stellen informieren wollen, mit ihren Daten dafür bezahlen.
Unbeschadet der rechtlichen Verantwortung sollten die öffentlichen Stellen auf solchen Plattformen keine Profilseiten oder Fanpages einrichten.“
Heute müssten die Bedenken gegenüber Facebook & Co eigentlich noch viel weiter gehen: ich denke etwa an die Identifikationspflicht der Benutzer von Facebook und Google+ (Stichwort: Klarnamen!) oder an die unzureichende Information auf Facebook in Bezug auf die Möglichkeiten zur Gesichtserkennung.
Es ist ja richtig, dass Facebook in Sachen Datenschutz ein riesiger arroganter Sturschädel ist. Ich frage mich nur, welche Konsequenzen öffentliche Einrichtungen, Kommunen, Länder und Bundesbehörden hieraus ziehen sollten.
Facebook ist nicht die Mitte des Universums
Zum Einen ist es natürlich so, dass Facebook für eine sinnvolle Social-Media-Strategie von Behörden in aller Regel gar nicht im Zentrum stehen muss. Ich plädiere in aller Regel vorrangig für die Einrichtung von Monitoring-Tools und Content-Kanälen wie YouTube und SlideShare. Außerdem ist die Einrichtung professioneller Profile auf XING und LinkedIn prioritär. Erst im zweiten Rang geht es dann zumeist eher um Lead-Generierung über XING oder LinkedIn ehe man sich über die Etablierung dialogorientierter Communities auf Facebook oder alternativ über Corporate Blogs Gedanken machen sollte. Insofern kann ich an dieser Stelle den rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten schon mal beruhigen: in der B2B-Kommunikation von Behörden geht es fast immer auch ohne Facebook.
Wenn aber Facebook, dann bitte richtig
Was aber helfen die entschiedensten Richtlinien von Datenschutzbeauftragten, wenn Behörden nicht nur diese Richtlinien ignorieren, sondern auch alles vergessen, was einen halbwegs seriösen Auftritt auf Facebook ausmacht? Beispiele gefällig? Bitte sehr:
Hier fatzebuckelt das Bundeskriminalamt. Allen Widerspenstigkeiten der Datenschutzbeauftragten zum Trotz. Finden Sie ein Impressum auf der Startseite ohne Klicken zu müssen? Nein? Ist das BKA abmahnfähig? Aber sicher! Es wird sich doch ein Anwalt finden, der es wagt, das BKA abzumahnen ???
Die Impressumspflicht ignoriert auch das brandenburgische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Hier gibt’s aber gleich noch eine weitere Nettigkeit zu bewundern: der iFrame zum Thema „Datenschutz“ kommuniziert nicht wie erwartet Hinweise zum Datenschutz, sondern die Adresse der Web-Agentur und ein Bild vom Amtssitz:
Über Datenschützer und Social-Media-Unverantwortliche
Warum in aller Welt schaffen es Behörden nicht, Facebook wenigstens dafür zu nutzen, dass man auf die Problematik von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung des Bürgers hinweist?
Viele Social-Media-Apologeten wie Jeff Jarvis kritisieren die Datenschützer als „vorgestrig“ und „altbacken“. Dabei sind die Landesdatenschutzbeauftragten noch meilenweit den Social-Media-Unverantwortlichen in den Behörden und Ministerien voraus. Wer bitte klärt auf Facebook über die Unzulänglichkeiten von Facebook auf? Wer nutzt wenigstens einfache Tools wie die Double-Click-Lösung für Social Sharing? Wer berücksichtigt zumindest grundlegende gesetzliche Vorgaben bei der Realisierung sozialer Medien?
Ich freue mich auf die Veranstaltung mit den Wirtschaftsförderern in St. Goar. Eine vernünftige Social Media Strategy ist auch denkbar, wenn man die Bedenken der Datenschützer ernst nehmen will. Es mag Situationen geben, in denen man den guten Rat der Datenschützer ausschlägt und trotz deren Bedenken mit eigenen Angeboten auf Facebook geht. Den Rat eines guten Arztes ignoriert man ja auch manchmal. Und das zu Recht. Aber dann sollte man sich wenigstens mit Sinn, Verstand, Fürsorge und der gebotenen Professionalität des Themas annehmen.
In diesem Sinne Herr Wagner: Sie haben meine Unterstützung.
Sieht aus, als hätten unglaublich alte Menschen versucht ein Medium für Jugendliche Ansprechend zu gestalten, das diese Nutzen.
Ein Ministerium auf Facebook? Irgendwie passt diese Kombination der Wörter schon nicht richtig.