Powerpoint ade? Prezi.com ermöglicht Präsentationen zum Kopfverdrehen
Powerpoint macht dumm, sagt der Volksmund. Das kommt natürlich darauf an, wie die Folien gestaltet sind. Aber was ich jederzeit unterschreibe, ist dass man sich an den Slides im typischen Powerpoint Layout längst sattgesehen hat. Eine Überschrift, darunter ein paar Bulletpoints. Bilder und Grafiken links oder rechts davon – wenn man Glück hat. Oft ließe sich der Inhalt einer Präsentation von 40 Slides sinnvoller auf einem einseitigen DIN A4 Handout darstellen.
Prezi.com ist eine der wenigen alternativen Präsentations-Tools, die ich kenne. Und, im Gegensatz etwa zu Open Office, verfolgt es einen ganz anderen Ansatz als das Programm, das einst angetreten ist, die Folien auf den Overhead-Projekten zu ersetzen. Prezi.com bietet schon rein stilistisch eine erfrischende Auflockerung an Tagen, an denen ein Powerpoint-Vortrag dem nächsten folgt. Was ist prezi.com für ein Tool?
Präsentation als Actionfilm
Man kann sich eine Prezi als eine beliebig große (oder beliebig kleine) Leinwand vorstellen, auf der man seine Bilder und Texte beliebig groß (oder beliebig klein) anordnet. Und dann fliegt man mit einer Kamera drüber und zoomt mit einer relativ hohen Geschwindigkeit rein und raus. Die Wirkung auf ein Powerpoint-ermüdetes Auge ist extrem dynamisch: Ein Action-Film verglichen mit einem Powerpoint-Stillleben.Technisch handelt es sich dabei um eine Flash-Animation. Das ganze funktioniert auch offline (und laut Hersteller unter iOS mittels der Programmiersprache Objective-C).
Das Bedienkonzept des webbasierten Tools ist eigenwillig. Es wird aber in einem Tutorial sehr gut erklärt, das sich automatisch nach der Registrierung öffnet. Auf einem Menü, links oben im Bild, kann man beispielsweise mit „Write“ Texte eingeben. Bei den Texten sind die Gestaltungsmöglichkeiten noch etwas gering: Es gibt nur wenige Schriftarten und Farbkonzepte – und auch ein „Theme-Wizard“ fürs Layout gibt nicht viele Optionen. Nun gut, das lässt sich verschmerzen. Solange prezi.com noch so selten genutzt wird, braucht man sich auf diesem Feld nicht durch Corporate Design hervorzutun. Mit dem Menü-Punkt „Insert“ lassen sich Bilder (oder auch YouTube-Videos, Dateien oder Grafiken) auf der Leinwand platzieren. Was mir besonders gut gefällt: pdfs erscheinen gestochen scharf, selbst wenn man auf einen einzigen Buchstaben heranzoomt – sehr hilfreich für Arbeitsmeetings.
Video Tutorial zu prezi.com
Auf dem richtigen Pfad?
Um Bilder und Texte in einer bestimmten Reihenfolge zu zeigen, gibt es zudem den Menüpunkt „Path“. Im Grunde einfach: Man wählt die Ansicht, die man später zeigen will und klickt „Capture View“. Beim Pfadfinden besteht der m.E. den größte Fehler der Benutzerführung: Es ist für einen Anfänger fast unmöglich herauszufinden, wie man seinen Pfad ändert, wenn man ihn einmal definiert hat. Selbst die Antworten des Anbieters auf dem Prezi-Forum funktioniert nicht so richtig. Der Workaround: Man erstellt ein vorläufiges Element, zieht den Pfad dann auf dieses neue Element und löscht das Element anschließend. Dann ist der Pfadpunkt auch verschwunden. Eine Rückfrage bei Prezi ergibt jedoch, dass gerade ein neues Features („Path Thumbnails“) veröffentlicht wurde, das die Pfad-Definition erleichtern soll. (Ein weiteres Problem der Nutzerführung: Dreht man die „Kamera“ einmal, bekommt man sie kaum mehr gerade eingestellt. Workarounds gerne an mich.)
Der Pfad ermöglicht auch, immer mal wieder auf die Fernansicht zu gehen, und so im „Big Picture“ Zusammenhänge anzudeuten, vergleichbar einem Mindmap. Ich nutze das gerne, um zwischen verschiedenen Agendapunkten eine Zäsur zu setzen. Man kann den Flug der digitalen Kamera auch so lenken, dass er beiläufig Kapitel streift, die erst noch kommen (Spannung!) oder die man schon besprochen hatte (Erinnerung!). Ebenso lässt sich der vorgegebene Pfad per Maussteuerung verlassen. Man ist also nicht wie bei Powerpoint in der Linearität gefangen, obwohl sich diese in Prezi ebenso abbilden lässt. Eine Beispielpräsentation auf prezi.com ist um die bildfüllende Flasche eines bekannten Brause-Herstellers gruppiert. Zusammengefasst: Es ist Raum für Kreativität und Überraschungseffekte, man kann viel ausprobieren.
Kostenlos oder 59 US-Dollar im Jahr
Apropos Ausprobieren: Prezi.com ist kostenlos, allerdings stehen die eigenen Präsentationen dann offen zugänglich im Netz. Wer das nicht will, zahlt 59 US-Dollar im Jahr. Über das Unternehmen Prezi ist nicht viel in Erfahrung zu bringen. Der Hauptsitz befindet sich in Budapest und es gibt ein Büro in San Francisco. Zwei Investorenfirmen sind mit im Boot. Nach Angaben der PR-Verantwortlichen Zane Groshelle, die mir ein paar Fragen beantwortete, hat das Unternehmen jetzt nach rund zwei Jahren die Zahl von fünf Millionen Usern erreicht und wächst schnell. Angaben über zahlende User macht sie nicht, das Unternehmen habe aber seit dem ersten Jahr einen positiven Cash-Flow.
Ein ganzer Tag mit Prezi-Präsentationen wäre vielleicht auch nicht besser als einer nur mit Powerpoint-Präsentationen. Man will ja nicht immer nur Achterbahn fahren. Der Überraschungseffekt der coolen Kamerafahrten ist aber derzeit noch bei fast jedem Publikum enorm. Etwa ab der zweiten Präsentation, die man mit Prezi gestaltet, ist man genauso schnell wie mit Powerpoint. Und es macht wieder Spaß, nicht nur das Präsentieren, sondern auch das Gestalten vorab.
Prezzi hat gerade noch mal 14 Millionen Dollar Venture Capital bekommen. Damit soll vor allem das Wachstum in Europa und Asien finanziert und außerdem die Anpassung an lokale Märkte vorgenommen werden – vielleicht gibt es ja dann ein deutsches „Präsi“. Im Jahr 2012 will das Unternehmen doppelt so groß werden, wie heute („double the size“ was auch immer das heißt…). Außerdem soll die Unterstützung für weitere Endgeräte entwickelt werden. Mehr unter: https://venturebeat.com/2011/12/15/prezi-14-million-in-funding/