Pressearbeit in der staden Zeit

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Pressearbeit in der Ferienzeit. Campingbus mit Zelt. Davor Kinder auf Gokarts auf Wiese.

Für alle Nicht-Bayern: Als stade Zeit bezeichnet man gemeinhin die Weihnachtszeit. Stad bedeutet still. Wann diese Jahresphase jemals ruhig war, muss ganz lange her sein. Vielleicht im Jahr eins nach Christi Geburt. Da könnte die Weihnachtszeit tatsächlich stad gewesen sein. Dennoch, es gibt sie, die stille Zeit: Wenn Deutschland in die Sommerferien geht, wird es still in den PR-Stuben.

Es beginnt erst langsam

Den Reigen der Schulferien haben Sachsen und Thüringen bereits Mitte Juni eröffnet, das Schlusslicht sind die Bayern. Der 9. September ist der letzte Ferientag. In Summe ist Deutschland rund drei Monate gefühlt verwaist. Sogar manche Autobahnen sind so leer, dass sie eine Ölkrise vermuten lassen.
Beim Anblick der Out-of-Office-Meldungen nach dem Versand einer Pressemitteilung, ahnt man bang: Da ist niemand mehr. Man sieht vor dem geistigen Auge penibel aufgeräumte Schreibtische. Eine Volontärin kauert vor dem Bildschirm und kämpft mit dem überquellenden redaktion@-Postfach. Die Leberkäs-Semmel ist schon kalt. Im Sekundentakt ploppen und pingen die Meilenstein-Meldungen der führenden Anbieter von Irgendwas ein. Zum Glück hat ihr die Redakteurin noch eine Liste in die Hand gedrückt: „Nimm die wichtigen Marken, die hab‘ ich dir hier aufgeschrieben. Und wenn bei ner Meldung ein Bild dabei ist, super, dann stell die Info online. Weißt ja, wie das geht. Ich wünsch dir eine gute Zeit. Bis dann also in drei Wochen. Tschöho.“ Sprach’s und verschwand.

Jetzt gilt’s: schicken oder schweigen

Die Anzahl der Abwesenheitsmeldungen schaukelt sich ab dem 29. Juli, dem Beginn der bayerischen Ferien, so hoch, dass sich bei den Stellung-Haltern in der Agentur das Gefühl grenzenloser Einsamkeit einschleicht. Und jetzt? Soll die Meldung trotzdem raus? Liest die überhaupt noch jemand – außer den Volos? Und was machen wir mit der für Ende Juli geplanten Pressekonferenz? Einladung verschicken oder doch lieber gleich telefonieren, weil die Redakteurin oder der Redakteur sonst schon mit Bus, Bahn oder Flieger entfleucht ist? Es ist keine Zeit mehr für Schriftliches. Jetzt muss gleich angerufen werden. Präsenzveranstaltungen, ja sogar Online-Events unter weiß-blauem Himmel sind während der bayerischen Ferien ausschließlich Sache der Mutigen.

Schenkelklopfer Karneval

Ebenso verwegen ist auch, wer am Rosenmontag bei der Düsseldorfer Wirtschaftspresse wegen Interviewterminen anruft. „Ein echter Schenkelklopfer“, so hat es ein Capital-Redakteur formuliert. Das passiert vor allem uns Bayern gerne, uns, die da wohnen im Königreich der Faschingsmuffel. Außerdem: Man lädt ja die Freunde Helga und Holger auch nicht zum Grillabend ein, wenn man weiß, die sind gerade auf Helgoland in den Ferien. Es sei denn, man mag Helga und Holger nicht sonderlich „Jammerschade, dass ihr nicht da wart. Versuchen wir es eben nächstes Jahr.“ Also, wie ist denn nun die Praxis in der Pressearbeit?

Manches kann nicht warten

Je nach Standort der angepeilten Medien heißt es „bitte warten“. Der erste reguläre Arbeitstag nach den Landesferien ist auch nicht wirklich prickelnd für Pressemaßnahmen jeder Art. Journalistinnen und Journalisten sind auch nur Menschen und brauchen etwas Zeit für die Rückkehr in den Alltagstrott. Nach einer Anstandswoche kann es dann schön langsam wieder losgehen.

Doch nicht jede Info kann auf die Absenzen der Presse Rücksicht nehmen. Am Hauptsitz von Unternehmen im Ausland stößt der PR-Verantwortliche selten auf Verständnis, wenn eine internationale Ankündigung in Deutschland mangels aktuell erreichbaren Empfängern skeptisch gesehen wird. Und manchmal zählt schlicht der Termin auf der Presseinformation, ob gelesen oder nicht gelesen, egal. Die Sache ist angekündigt. Die Meldung ist in den Redaktionssystemen abgespeichert, die Dokumentationsabteilung, auch Faktenchecker genannt, haben die Notiz.

In aller Ruhe plaudern

Tickt das Räderwerk des hektischen Alltags mal langsamer, ist das eine sehr gute Chance für Einzelgespräche und lokale Kontaktpflege. PR-Profis aus Unternehmen und Agentur treffen sich mit Journalistinnen und Journalisten unterm Kastanienbaum und plaudern über dies und das. Manchmal entstehen so Ideen für einen innovativen Beitrag, werden Hintergrundinfos vertieft und in einen Kontext gesetzt. Für diesen Luxus, einem Gespräch befreit von jeder Effizienz, ist die Ferienzeit genau richtig. Ein Sommerloch ist durchaus sinnvoll zu füllen.

Geschmeidig durch die Ferienzeit

Mit Rücksicht und Fingerspitzengefühl kommt die Pressearbeit so ganz gut durch die stade Urlaubszeit. In diesen Wochen lohnt es sich, sich für die Anstrengungen ab September zu wappnen – Volldampf ist angesagt. Messen stehen an, die Themenplanungen flattern schon für die Weihnachtsausgaben rein. Ja genau, denn bis zum Beginn der Weihnachtsferien ist’s ja nicht mehr lange hin.

Gute Reise und schöne Ferien.

Bildquelle: pixabay, Creator lentemamaatje, CCL

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