Rundfunkreform 2024: Maus oder Monster?

Frau mit einer Kamera auf der Schulter von hinten. Dahinter Publikum

Ein Kommentar aus Anlass des „Welttags des Fernsehens“ am 21. November.

Gefahr gibt’s, mal wieder, für die Demokratie. Diesmal, weil Journalistinnen und Journalisten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Informationen auch in Textform verbreiten. Als Nachrichten. Was sagt der Mensch dazu? Müssen wir uns empören? Die Digitalpublisher und Verleger des BDZV und der „Medienverband der freien Presse“, MVFP, tun das und verlautbaren dazu Folgendes:

„Diese Angebote (Anm. die Textangebote des ÖRR) stören den Markt der freien Presse und beeinträchtigen so die Pressevielfalt und damit die Demokratie in Deutschland. Klar ist: Eine unmissverständliche Beschränkung ist nötig.“

Aus Sicht der privatwirtschaftlichen Verlage ist natürlich eine „Beschränkung“ nötig. Sogar eine „unmissverständliche“. Was immer das auch wieder heißen mag. Sie sehen darin ein Problem, dass sich Bürgerinnen und Bürger durch die Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Anstalten, also ARD, ZDF und Deutschlandradio, auch ohne eine Bezahlschranke oder ein Abonnement über die Geschehnisse in diesem Land informieren können. Die GEZ-Gebühren und die Werbung, vor allem für Gesundheitsmittelchen für Gedächtnis und Gelenke, machen’s möglich. Wer in diesem Land kein Geld für Medienabos hat oder ausgeben will, profitiert von seinem monatlichen Rundfunkbeitrag in Höhe von 18,36 Euro. Der wurde im August 2021 vom Bundesverfassungsgericht so festgelegt.

Was gefährdet die Demokratie?

Aber beeinträchtigen die ÖRR-Textnachrichten gleich die Demokratie? Geht’s nicht ne Nummer kleiner? Kann man als Interessensvertretung nicht einfach offen sagen, dass man sich um Umsatzeinbußen sorgt, weil der ÖRR auch per Text informiert? Böse Zungen könnten zynisch erwähnen, dass Konkurrenz das Geschäft bekanntlich belebt und die privaten Medien einfach nur besser als der ÖRR sein müssten, damit sich alle wieder gut vertragen.

Aber gleich Demokratiegefährung ins Feld zu führen – das erscheint mir doch zu wild. Diese Art der Katastrophisierung greift um sich wie ein Krebsgeschwür. Dennoch bringt mich die Übertreibung der Verlegerverbände ins Grübeln. Was unterspült denn tatsächlich unserer Demokratie? Sind es nicht vielmehr Falschmeldungen, Verleumdungen, Rufmorde, die unter dem neudeutschen Begriff „Bashing“ nahezu harmlos klingend zusammengefasst werden? Sind es nicht eher Agitatoren aus aller Herren Länder, die Stimmung für extremistische Ränder machen? Dass der Rundfunk ein Instrument ist, um Völker zu knechten, wissen wir aus unserer eigenen Geschichte und beim Blick in autokratische Länder. Deshalb ist es so gut, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.

Erwarten Sie von mir bitte keine abschließenden Antworten auf die Frage, was und wann unsere Demokratie tatsächlich und ernsthaft gefährdet. Aber eins weiß ich sicher:

Es sind nicht die Textnachrichten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

TV des ÖRR in Nöten

Heute, am 21. November, ist der UN-Welttag des Fernsehens. Die erste Testsendung ging in Deutschland am 8. März 1929 via Mittelwellensender auf dem Berliner Funkturm aus ins Reichspostzentralamt in Berlin-Tempelhof. In den 1930er Jahren trat die Television ihren Siegeszug an, die Technik war soweit ausgereift. Dass das Fernsehgerät aber irgendwann Gesellschaften prägen wird, die Politik beeinflusst und die individuelle Wahrnehmung von Wirklichkeit lenkt, hätten sich die Erfinder und Pioniere des Fernsehens nicht träumen lassen.

Rund hundert Jahre später steht das Fernsehen bei manchen Zielgruppen, meist unter 60 Jahren, mit dem Rücken zur Wand. Die Konkurrenz des linearen Fernsehens, die Streaming-Dienste, ist mächtig geworden. So mächtig, dass sich ein an sich eher träger Apparat bewegen musste. Das hätte er vermutlich so schnell auch wieder nicht gemacht, wäre da nicht Patricia Schlesinger, Ex-Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg und Vorsitzende der ARD gewesen, die dem Rundfunk einen veritablen Skandal eingebrockt hat.

Es geht ans Eingemachte! – oder auch nicht

Mit Spannung habe ich die Diskussion um die Reformierung von ARD, ZDF und DLR verfolgt. Mit Enttäuschung habe ich die Ergebnisse zur Kenntnis genommen. Ich hatte damit gerechnet, dass der Wasserkopf der Verwaltung verschlankt wird, dass die Boni und Gehälter von Intendanzen eingehegt werden, aber nicht mit einer Senderkonsolidierung. Ich habe inständig gehofft, dass die jährlichen Geschäftsberichte der Rundfunkanstalten so transparent werden, dass Kostenstrukturen offengelegt werden nicht nur von der Verwaltung, sondern auch von einzelnen Produktionen. (All diese PR-Sendungen für Kreuzfahrten hätte ich so gerne auf der roten Liste gesehen.)

Am 25. Oktober 2024 haben sich die Ministerpräsidentinnen und -Präsidenten vorläufig auf Reformen verständigt. Vorläufig deshalb, weil erst nach der Ministerpräsidentenkonferenz, MPK, im folgenden Dezember die Länderparlamente zustimmen müssen. Erst danach tritt der Staatsvertrag in Kraft. Den 135-Seiten starken Entwurf können Sie hier herunterladen.

Die Ergebnisse des langen Ringens um Reformen präsentierte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer, SPD, der auch Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist: Die ÖRR-Anstalten würden „(…) zukunftsfester, digitaler, effizienter, interaktiver (…)“ werden. Und so soll das funktionieren:

  1. Finanzen: Der sogenannte „Systemwechsel“ im Finanzierungsmodell muss noch von der Rundfunkkommission bis zur MPK-Sitzung im Dezember geprüft werden.
  2. Hörfunk: Von den aktuell 70 Hörfunkwellen werden nur noch 53 übrigbleiben.
  3. Konsolidierung: Digitalangebote und Spartenkanäle sollen konsolidiert werden.
  4. Integration: ARTE soll weiterentwickelt werden zu einer „europäischen Kulturplattform“. Das Programm „3Sat“ soll in Arte integriert werden.
  5. Publikum: Der ÖRR will den Dialog mit dem Publikum verstärken. Vor allem jüngere Menschen sollen angesprochen werden.
  6. Kooperation: Durch den Austausch mit privaten Sendern sollen die Inhalte des ÖRR auch privaten Plattformen wie Joyn oder RTLplus zur Verfügung gestellt werden. Damit soll der ÖRR mit amerikanischen und chinesischen Plattformen besser konkurrieren können.
  7. Wettbewerb: Die Regelung zur „Presseähnlichkeit“ besagt, dass der ÖRR nur noch dann Texte publizieren darf, wenn darüber ein Beitrag gesendet oder erstellt wurde.

Was aber ist das nun? Eine Reform-Maus oder ein Reform-Monster? Die Antwort steckt hinter Punkt 2 und 3. Die Details dazu werden zeigen, wie stark die inhaltlichen Einschränkungen sein werden. Dazu eine Textnachricht auf ZDF.de: „Die Länder erläutern dazu: Mit Tagesschau24, Phoenix, ARD-alpha und ZDFinfo gebe es vier lineare Spartenkanäle mit dem genannten Schwerpunkt. Die Ressourcen sollen künftig in weniger Angeboten gebündelt werden. Was genau reduziert werden soll, bleibt offen.“ Das bedeutet: Mein Aufschrei muss warten, bis bekannt wird, dass „Phoenix“ eingestellt wird. Ich hole schon mal Luft.

Entscheidung zum Rundfunkbeitrag vor Gericht

Die Diskussion um eine Erhöhung des GEZ-Beitrags wurde zwar geführt, aber eine Entscheidung vertagt. Es geht um 58 Cent. Es wäre die erste Gebührenerhöhung seit 2021. Die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ schätzt die Kosten für das nächste Jahr auf 10,4 Milliarden Euro, die Runde der Ministerpräsidentinnen und -Präsidenten konnte sich jedoch nicht auf eine Erhöhung einigen. Und so muss es mal wieder unser Bundesverfassungsgericht richten. ARD und ZDF legten jüngst Verfassungsbeschwerde gegen diese Nicht-Entscheidung ein.

Das halte ich übrigens für einen durchaus gangbaren und vor allem übertragbaren Weg auf viele Bereiche in der Politik: Eine Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen Nicht-Entscheidens. So käme richtig Schwung ins deutsche Politikgeschehen.

Gegen eine Erhöhung von 58 Cent hätte ich nichts einzuwenden, wenn die Mehreinnahmen für die Qualitätssicherung der ÖRR-Produkte und für die Anpassung der Gehälter für Journalistinnen und Journalisten verwendet werden. Aber eine Erhöhung mit einer transparenten Begründung, das bleiben ARD und ZDF der Öffentlichkeit bislang schuldig. Vielleicht bringt ja das oberste Gericht Licht ins Dunkel. Bis dahin warten wir ab, welche der sieben Punkte den ÖRR wirklich in die Zukunft führen wird.

Foto von OrnaW auf pixabay.de, CCL

4 Kommentare
  1. Michael Karaman says:

    Danke,lesenswerte Analyse. ich denke das Verhalten der „Privaten“ erkennt das Qualitaet nicht mit „ markschreierischen“ Texten konkurrieren kann!

  2. Ruth Bachmann says:

    Lieber Herr Karaman, ja, da haben Sie recht. Die Reaktion, dass die Demokratie „beeinträchtigt“ wäre, ist derart überzogen, dass ein anderer Schluss kaum möglich zu sein scheint. Der ÖRR ist doch nur ein weiterer Wettbewerber, wie ihn die privaten Verlage zu Dutzenden haben. Die versuchen immer mehr durch marktschreierische Schlagzeilen die Klickzahlen in die Höhe zu treiben. Das hat der ÖRR wirtschaftlich betrachtet nicht nötig. Vielleicht resultiert ja aus diesem Umstand die Aufregung der Verlage. Trotzdem sollten gerade Publizisten doch Maß und Mitte einhalten. Liebe Grüße, Ruth Bachmann

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