Social Media Marketing in der regionalen Wirtschaftsförderung
In den vergangenen zehn Jahren habe ich mehrfach kommunale Wirtschaftsförderer bei der Entwicklung von Strategien für die Nutzung sozialer Medien im Standortmarketing beraten. Auf Einladung der Wirtschaftsministerien und von Landesbehörden von Rheinland-Pfalz und Bayern durfte ich mehrmals auf Kongressen über Social Media Marketing vortragen (siehe hierzu auch hier im Blog den Beitrag „Social Media im Stadtmarketing“ von 2014) und mich dabei mit zahlreichen Praktikern aus der Wirtschaftsförderung austauschen. Seit meinen ersten Kontakten in die Szene hat sich viel getan: Heute sind Facebook, YouTube und andere soziale Netzwerke auch in den deutschen Behörden gut etabliert. Aber noch immer gibt es ungenutzte Potenziale im Einsatz sozialer Medien in den Kommunen. Der folgende Beitrag ist sowohl eine Bestandsaufnahme als auch ein Überblick über die aktuellen Herausforderungen für Social Media Marketing in der regionalen Wirtschaftsförderung. Er ist eine stark gekürzte Version eines Aufsatzes, der in diesem Herbst im „Handbuch der Wirtschaftsförderung“ im Herder Verlag erscheinen wird.
Soziale Medien in deutschen Behörden: Platzhirsch Facebook
Rund 90 Prozent der Öffentlichen Verwaltungen nutzen in irgendeiner Form soziale Medien für ihre Kommunikation. Zwar gibt es nur wenige repräsentative Studien, doch deuten viele darauf hin, dass Facebook in Behörden am häufigsten genutzt wird, gefolgt von Instagram und YouTube. Mit großem Abstand folgen X (das frühere Twitter), LinkedIn, Xing und WhatsApp. TikTok und Snapchat rangieren weit abgeschlagen. Im Vergleich zu der Zeit, als ich anfing mich mit dem Thema Wirtschaftsförderung zu beschäftigen ist das schon ein echter Fortschritt, doch an manchen Stellen hakt es noch. Das Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger – auch der Entscheider in Unternehmen – ändert sich so schnell, da kommen kommunale Behörden mit ihren Online-Angeboten kaum hinterher.
Treffpunkt Instagram?
Zum Beispiel werden von den Nutzern heute schon wieder andere Plattformen bevorzugt: Es dominiert der Messenger WhatsApp, gefolgt von Instagram. Facebook rangiert an dritter Stelle. Und TikTok gehört zu den großen Gewinnern der letzten Jahre.
Grundsätzlich sollten sich Behörden dorthin begeben, wo die Menschen sind und nicht umgekehrt. Viel zu lange haben Kommunalverwaltungen darauf vertraut, dass sich interessierte Bürgerinnen und Bürger ihre Informationen in den Rathäusern abholen. Die Menschen holen sich ihre Informationen nicht einfach in den Rathäusern ab – und auch nicht auf kommunalen Web-Seiten. Die Bürgerinnen und Bürger müssen „abgeholt werden“.
Wirtschaftsförderer als Bewerber
Dies gilt erst recht in der regionalen Wirtschaftsförderung. Hier hat die Öffentliche Verwaltung ein hohes Eigeninteresse, dass sich große und kleine Unternehmen in ihrem Raum ansiedeln. Hier ist die Kommune in der Bewerberrolle und muss ansiedlungswillige Unternehmen finden und „abholen“. Deshalb steht auch bei regionalen Wirtschaftsförderern und im Standortmarketing Social Media Marketing mittlerweile ganz oben auf der Agenda. Trotz rechtlicher Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit von Facebook-Seiten durch staatliche Behörden, haben viele Kommunen begonnen, soziale Medien in ihre Öffentlichkeitsarbeit zu integrieren. Das ist eine positive Entwicklung, denn Behörden sollten dort präsent sein, wo sich die Menschen aufhalten.
Was bewegt die Zielgruppe der Wirtschaftsförderer?
Lange Zeit haben Verwaltungen darauf vertraut, dass Bürger sich ihre Informationen aus Rathäusern oder von Webseiten holen. In der digitalen Gesellschaft funktioniert das jedoch nicht mehr. Insbesondere bei der Wirtschaftsförderung verlangt das Zeitalter mit sozialen Medien einen doppelten Perspektivwechsel: Wirtschaftsförderer müssen sich auf die Plattformen ihrer Zielgruppen begeben und deren Themen verstehen. Das ist die Grundvoraussetzung jeder Aktivität: Monitoring ist wichtiger als das aktive Posten. Ein erfahrener Social-Media-Manager analysiert die relevanten Themen und kennt die Meinungsführer. Dazu kann er verschiedene Tools nutzen wie zum Beispiel Brandwatch, Sprout Social, Hootsuite, Talkwalker oder Echobot.
Business-Plattformen sind ideal für Wirtschaftsförderer
Für Wirtschaftsförderer sind LinkedIn, Xing und Facebook wichtig, um verschiedene Zielgruppen wie Unternehmen, das Handwerk und Startups zu erreichen. X (früher Twitter) verliert zwar an Bedeutung, spielt aber noch eine Rolle bei der Ansprache von Multiplikatoren. Bei all der Diskussion und den Überlegungen rund um die richtige Plattform, sollte man auch die Content-Formate nicht aus dem Blick verlieren. Text ist wichtig, doch Videos und Podcasts sind oft unterschätzte Werkzeuge in der Wirtschaftsförderung. Sie können nicht nur in Webseiten und Blogs eingebettet werden, sondern sind auch über Suchfunktionen leicht auffindbar. Ein gutes Beispiel ist der Podcast „Geschichten mit Zukunft“ der Hansestadt Lübeck, in dem regionale Unternehmen Themen wie „Smart City“ und „Innovationsmanagement“ diskutieren.
Lead-Generierung in der Wirtschaftsförderung über LinkedIn
Erfolgreiches Stadtmarketing stützt sich auf nachhaltige Markenkommunikation und eine fokussierte Social-Selling-Strategie. Dafür eignet sich LinkedIn hervorragend. Auf dieser Plattform können Investoren gefunden und angesprochen werden. Beim Social Selling geht man in mehreren Stufen vor. Zuerst werden die potenziellen Leads ausfindig gemacht und die Themen recherchiert, die sie bewegen, die sie diskutieren. Dann folgt die anspruchsvollste Arbeit, nämlich die Erstellung relevanter Inhalte und die direkte Interaktion mit der Zielgruppe zur Festigung persönlicher Beziehungen. (Ausführlich habe ich das Konzept des „Social Selling in LinkedIn“ in einem Artikel in meinem LinkedIn-Kanal vorgestellt).
Webseite und Blog – das Social-Media-Traumpaar in der Wirtschaftsförderung
LinkedIn allein reicht jedoch nicht. Jede Social-Media-Strategie sollte auf einer starken Webseite und einem Blog basieren. Blogs bieten die Möglichkeit zu einer persönlicheren Kommunikation. Ein weiterer Vorteil ist es, dass Kommunen ihre Partnerschaften mit lokalen Unternehmen und Hochschulen aktiv in eine Vielfalt von Inhalten ummünzen können. So entsteht mit der Zeit ein bunter, attraktiver Blog, auf dem sich jeder Aspekt der regionalen Wirtschaftsförderung beschreiben lässt. Indem Partner und Influencer in die Inhalte eingebunden werden, erhöht sich auch die Reichweite des Informationsangebots (Vergleiche zur Relevanz von Corporate Blogs meinen Artikel „Aus der vibrio Blog-Hütte“).
Die wichtigsten Partner eines Wirtschaftsförderers sind die lokalen Unternehmen
In einen Blog lassen sich auch Partner sehr gut einbinden. Die wichtigsten Partner eines Wirtschaftsförderers sind die Unternehmen in seiner Region. Die Einbindung kann über Gastbeiträge der Unternehmen im kommunalen Blog geschehen – niemand kann die Standortvorteile einer Region glaubwürdiger kommunizieren, als die Unternehmer, Mitarbeiter und Familienangehörigenen der Betriebe vor Ort -, aber auch über „shared content“, also über Inhalte, die die Kommune den Partnern aus der Wirtschaft bereitstellt. Ein schönes Beispiel hierfür ist das digitale Standortmarketing-Tool zur Fachkräftegewinnung der Wirtschaftsförderung der Region Freiburg. Eine dynamische Standortinfo-Grafik stellt kontinuierlich Echtzeitinformationen bereit und kann in die Karrierewebseiten von Unternehmen eingebunden werden.
Kosten und Ressourcen im Social Media Marketing für Wirtschaftsförderer
Social Media Marketing erfordert Zeit und Ressourcen. Für kleinere Kommunen sind 20 Wochenstunden angemessen. Größere Kommunen sollten eine volle Stelle einplanen, damit der Auftritt in den sozialen Medien modern und stets aktuell ist. Um den Aufwand zu reduzieren, können technische Aufgaben auch ausgelagert werden. Auch die Redaktion und Content-Erstellung kann extern vergeben werden. Der Aufwand für die Koordination bleibt dennoch immer im Haus. Die Kosten können zudem durch die Zusammenarbeit mit örtlichen Hochschulen und die Einbindung der lokalen und regionalen Wirtschaft gesenkt werden.
Umgang mit Shitstorms
Übrigens: Behörden sollten keine Angst vor Shitstorms haben, sondern sich darauf vorbereiten. Eine starke Präsenz in den sozialen Medien macht es schwieriger für Trolle, die Position einer Behörde zu untergraben. Allerdings ist es auch für die Öffentliche Verwaltung wichtig, wie für alle Unternehmen, mit einem Krisenkommunikationsplan für alle Fälle gewappnet zu sein.
Zusammenfassung: Die sechs Stufen des Social Media Marketings in der Wirtschaftsförderung
Für die Wirtschaftsförderung bietet Social Media Marketing viele attraktive Chancen. Die Strategie wird in sechs Schritten entwickelt:
- Relevante Adressen auch in neuen und noch nicht aktiv bespielten Plattformen sichern
- Monitoring durchführen und so potenzielle Partner und Themen finden
- Content generieren, der die Zielgruppen interessiert
- Leads generieren
- Dialog fördern und
- Partnerschaften stärken.
Die Langfassung dieses Artikels wird mit Veröffentlichung des Handbuchs für Wirtschaftsförderung im Herbst 2024 zur Verfügung stehen. Sollten Sie daran interessiert sein, schicken Sie mir einfach eine kurze Nachricht. Ich halte Sie über den Veröffentlichungstermin gerne auf dem Laufenden.
Illustrationen © maho – stock.adobe.com und Michael Kausch
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