Unterliegen Blogger dem Presserecht? Sind sie Journalisten gleichgestellt?
Natürlich sind das zwei häufig gestellte Fragen. Und sie gewinnen nach der aktuellen Verurteilung einer amerikanischen Bloggerin, der ein US-Gericht gerade den US-Journalisten gewährten Schutz vor Verleumdungsklagen nicht zuerkannt hat – die arme Frau muss nun 2,5 Millionen Dollar Strafe bezahlen – wieder an Aktualität. Aber die Fragen sind falsch gestellt.
Ein “Presserecht” gibt es eigentlich in Deutschland gar nicht, vielmehr eine ganze Anzahl gesetzlicher Regeln, die den Status der “Presse” definieren. Zu nennen sind hier etwa
- das Informationsrecht gegenüber Behörden, geregelt in den Landespressegesetzen, im Rundfunkstaatsvertrag und im Mediendienste-Staatsvertrag
- der freie Zugang zu Veranstaltungen und Tatorten
- das Zeugnisverweigerungsrecht, geregelt in der Zivilprozessordnung und in der Strafprozessordnung
- das Beschlagnahmeverbot (Strafprozessordnung)
Für Blogger ist in erster Linie der Mediendienste-Staatsvertrag relevant. Hier finden sich relevante Unterscheidungen zwischen Journalisten und Bloggern:
So gilt das besondere Informationsrecht gegenüber Behörden nur für “Anbieter von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben oder in periodischer Folge Texte verbreitet werden”. Diese “Verteilmedien” müssen auch den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen. Zu diesen Grundsätzen zählt zum Beispiel die Trennung von Nachricht und Kommentar, die Sorgfalt bei der Überprüfung von Informationen auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit. Für diese Online-“Medien” gelten die wichtigsten Regeln, denen auch klassische Medien unterliegen, etwa die Gegendarstellungspflicht.
Für Blogger, die regelmäßig auf einem Blog schreiben und deren Blog sich an journalistischen Grundsätzen orientiert, gelten also in der Regel die selben Rechte und Pflichten , wie für Journalisten. An eine bestimmte Form der Ausbildung – etwa ein journalistisches Volontariat – sind diese Rechte nicht gebunden.
So weit die Theorie.
Aber wie viele Blogs trennen denn wirklich zwischen Nachricht und Meinung? Jeder, der den Produktionsprozess von klassischen Blogs kennt, weiß, dass es hier anders zugeht, als in Redaktionsstuben von Tageszeitungen. Also werden die wenigsten Blogger sich auf Presserechte bei ihrer Recherche berufen können. In jedem Fall bedarf die Zuordnung spezieller Presserechte auf Blogger einer Einzelfallprüfung. Blogger sind erst mal keine Journalisten! Und Blogs sind zumeist keine Presseerzeugnisse!
“Vor Ort”, also während einer Demonstration oder Versammlung wird eine solche Einzelfallprüfung niemals möglich sein, weshalb Blogger gegenüber Behörden wohl kaum mit einer Gewährleistung in Bezug auf ihre uneingeschränkte Bewegungsfreiheit rechnen können. Es sei denn, sie verfügen über einen Presseausweis, der belegt, dass sie hauptberufliche redaktionelle Medienarbeiter sind.
Ein schmaler Grat ist das, auf dem sich Blogger medienrechtlich bewegen. Dies wird auch international so gesehen, weshalb zum Beispiel auf einer Tagung der Unesco zur Presse- und Meinungsfreiheit Anfang 2011 darüber diskutiert wurde, ob Blogger, die sich auf die Einhaltung der ethischen Codes klassischer Journalisten verpflichten, in den Genuss der Privilegien der Presse kommen sollen. Vor allem für die zahlreichen kritischen Blogger in autoritären Regimes wäre dies ein wichtiges Signal. Unesco-Generalsekretärin Irina Bokova mahnte inzwischen dringend eine Debatte über Meinungsfreiheit in den neuen Medien an. Aber was auch immer die Unesco beschließen mag: die Arbeitsbedingungen chinesischer und syrischer Blogger werden sich damit sicher nicht verbessern. Despotismus kann man nicht mit neuen Gesetzen “verbieten”.
Eine Klärung der juristischen Situation der Blogger ist noch lange nicht in Sicht, weder hierzulande, noch anderswo. Aber brauchen wir wirklich eine klare Definition des Status von Bloggern? Dieser Status kann doch nicht automatisch zur Übernahme spezifischer Presserechte führen. Die besondere Freiheit der Presse ist verknüpft mit nachprüfbaren Qualitätskriterien, denen sich ein Blog jederzeit unterwerfen kann. Das ist auch gut so. Wollte man die oben erwähnte Einzelfallprüfung umgehen, so müsste man zu einer wie auch immer gearteten Zertifizierung von “Medien-Blogs” kommen. Wollen wir das wirklich? Ich denke: nein.
Vielleicht geht es einfach um die Durchsetzung und Ausweitung von Bürgerrechten. In Bezug auf die Auskunftspflicht gegenüber Behörden gibt es hier bereits klare Vorstellungen (Stichwort “Open Data”). Das Zeugnisverweigerungsrecht gehört nicht auf Blogs, sehr wohl aber auf Whistle-Blowing-Dienste ausgedehnt. Ich denke die Stärkung der Blogger-Rechte muss auf der Eben der Bürgerrechte, nicht der Presserechte erfolgen.
Der Fall der US-Bloggerin ist übrigens auf deutsche Verhältnisse ohnedies kaum übertragbar. Auch ein Journalist, der hierzulande in seinem Medium eine Person als “Gangster, Dieb und Lügner” bezeichnet, wird mit einer Verleumdungsklage vor einem deutschen Gericht rechnen müssen. Auch das ist gut so.
Noch zwei drei ergänzende bzw. denkanstoßende Überlegungen dazu:
„Journalist“ ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichung und damit auch nicht mit Ausbildungsvorschriften etc. verknüpft. Jeder darf sich so nennen und jeder darf journalistisch arbeiten. Dabei ist es egal, ob er für die Yellow Press Promis jagt, im Kaninchenzüchtervereinsblatt schreibt, als Korrespondent für die ARD in Rom tätig ist, oder als Freiberufler für das Löter- und Schweißermagazin schreibt oder für die BILD im Dreck wühlt.
Frage: wenn einer regelmäßig bloggt, ist er dann kein Journalist – warum nicht? Der Beruf Journalist ist nicht (mehr) an einen Verlag mit Druckerei oder eine Sendezentrale gebunden. Jeder kann nun schnell und kostengünstig seine eigene Plattform im Internet aufbauen, das ist ja das schöne. Nur weil das Medium nun ein anderes ist, gilt nicht mehr, was früher galt?
Mit Verlaub: ich frage mich bei manchen Marketing- oder Meinungs-gesteuerten Aktionen der etablierten Medien schon, ob das immer noch mit Journalismus zu tun hat. Warum gelten dann für Blogger andere Kriterien. Vor allem: wer darf darüber entscheiden, was journalistisch ist und was nicht? Das ist eine sehr gefährliche Frage, denn dann geht es plötzlich um Inhalte – ich glaube leider nicht mehr daran, dass nur große Verlage journalistische Korrektheit garantieren… dafür fehlt den meisten Verlegern mittlerweile das publizistische Herzblut; sie wollen nur volle Kassen sehen, journalistische Standards sind zweitrangig (wie man z.B. an der Bezahlung von Journalisten ablesen kann).
Vielleicht wäre deshalb ein Ansatz, Bloggern journalistische Rechte zuzugestehen, wenn sie sich an journalistische Grundsätze halten (wobei die Trennung von Meinung und Kommentar und die Sorgfaltspflicht meines Wissens in der Praxis auch nicht mehr durchgehalten wird, außer in der kommunikationswissenschaftlichen Theorie…). Damit könnte vielleicht ein Anreiz geschaffen werden, diese Grundsätze zu respektieren und den Blog zu einem journalistischen Produkt zu machen… Wer das nicht will, der kann ja weiterhin bloggen, wie er lustig ist, darf dann aber auch keine journalistischen Rechte für sich in Anspruch nehmen.
Eigentlich eine überfällige Diskussion, die ihr hier mit guten Punkten anstoßt. Man wird ja übrigens auch den Eindruck nicht los, dass die Pressefreiheit von interessierten Kreisen als privilegierte Form der Meinungsfreiheit aufgefasst und propagiert wird, die nur einem Berufsstand zusteht.