Von wegen, das Internet vergisst nichts: Seit gestern gibt es „X-pire!“, den Radiergummi fürs World Wide Web
Sonne, Samba, Saufgelage – Kater, Kopfweh… Karriereknick. Dass so manch wildes Erlebnis aus der (jugendlichen) Sturm- und Drangzeit auch noch nach Jahren und angekommen in der Seriosität einen faden Beigeschmack hinterlassen kann, ist hinlänglich bekannt. Oft bleibt nicht nur ein gehöriger Kater zurück. Eingefangen mit der Digicam und bis in alle Ewigkeit im www konserviert, soll diese Freizügigkeit schon so manchem Zeitgenossen, gerade in Karrieredingen, geschadet haben.
Ewigkeit mit Einschränkung
Doch die virtuelle Ewigkeit hat jetzt ein Ende – zumindest die der Firefox-Nutzer, denn seit gestern steht „X-pire!“ zum Download bereit. X-pire! soll verhindern, dass Dateien dauerhaft zum Abruf im Internet bereitstehen. Das Browser-Plug-In für Firefox verschlüsselt Bilder und versieht sie mit einem Ablaufdatum. Das heißt, die (ins Internet hochgeladenen) Fotos werden nur innerhalb des vom Nutzer festgelegten Zeitraumes angezeigt. Nach Erreichen des Ablaufdatums wird der Schlüssel vom Schlüsselserver nicht mehr herausgegeben – die Bilder sind verfallen und nicht mehr sichtbar.
X-pire! ist demnach für jeden interessant, der sich um seine Privatsphäre sorgt während er im Internet und in sozialen Netzwerken unterwegs ist. Spätere negative Konsequenzen, die oftmals erst nach vielen Jahren durch unachtsam eingestellte Bilder entstehen, sollen so vermieden werden. Während das Hauptaugenmerk von X-pire! heute noch auf dem Schutz von Bildern liegt, ist das Konzept aber auch auf Blogs, ganze Websites, E-Mails und Videos übertragbar. Entwickelt wurde der von den Bundesministern Aigner und de Maizière geforderte „Radiergummi fürs Internet“ von Michael Backes, dem Inhaber des Lehrstuhls für Informationssicherheit und Kryptografie an der Universität des Saarlandes.
Software ist kein Freifahrtschein
Eine Allzweckwaffe ist X-pire! freilich nicht. Solange die Daten sichtbar sind, können sie kopiert und ohne Verfallsdatum weiterverbreitet werden. Das manuelle Kopieren sichtbarer Bilder liegt aber in der Natur der Sache und kann technologisch nicht verhindert werden. Im Extremfall kann ein Bild während seiner sichtbaren Zeit auch abfotografiert und erneut ins Netz gestellt werden – was allerdings schon fast kriminell anmutet. Die Verwendung der Software ist also kein Freifahrtschein und der gewissenhafte Umgang mit den eigenen Daten im Internet bleibt auch in Zukunft Grundvoraussetzung für den Schutz der Privatsphäre.
Zwiespältige Reaktionen
Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club sieht die Software äußerst kritisch: „Ich möchte nur ungern eine technische Lösung abnicken, die bei Leuten nicht greift, die es nicht gut meinen.“ So etwas könne mehr Schaden als Nutzen stiften, wenn sich die Nutzer in einem falschen Gefühl der Sicherheit wögen. Etwas positiver fällt die Einschätzung der hauptamtlichen Datenschützer aus. „Das ist natürlich kein Allheilmittel, aber ein Vorschlag in die richtige Richtung“, sagt der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar.
Wir werden sehen. Oder auch nicht.
Je nachdem, welches Verfallsdatum sich X-pire! setzt.
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