dmexco 2017: Eine Messe schafft sich ab
Ja, die dmexco ist eine spannende und für Besucher lohnende Messe. Nein, die dmexco wird wohl in diesem Jahr keine Besucherrekorde schreiben. Ja, die dmexco macht Spaß. Nein, die Aussteller der dmexco sind nicht durchgängig zufrieden. Und weil wir positiv denken sollen jetzt noch zwei ganz große „Ja“ folgen:
JA, die dmexco ist eine Marketing-Messe. Und JA, die dmexco ist eine Technologiemesse.
Dieser Doppelcharakter macht die dmexco letztlich aus: Marketing wird immer techniklastiger. Marketing wird immer zielgruppenaffiner und immer mehr automatisiert. Und wenn man nur ein klein wenig Phantasie mitbringt, so sieht man: Marketing braucht künftig immer weniger Marketing-Leute. Und das liegt an der Kette:
Wie bringt man die Blockchain auf die dmexco?
Beim Lieblingsthema der Messe-Visionäre „Blockchain“ wird das offensichtlich: Blockchains rationalisieren „in the long run“ die ganze Zwischenwelt, die zwischen Konsumenten bzw. Kunden auf der einen und Produzenten bzw. Anbietern auf der anderen Seite ihr Auskommen gefunden hat nach und nach weg: die digitalen Vermittler von Wohnungen und Hotelzimmern, von Shared Cars und Shared Services, die Dialogmarketender und Werbe-Fuzzis – sie werden verschwinden. Alle weg und Ruhe ist! Nur die Werbung bleibt: als automatisierte Kommunikation zwischen den Agenten auf dem virtuellen Marktplatz. Insofern feiern die Marketender auf der dmexco ihren letzten Tango auf dem Vulkan, der sie verschlucken wird. Übrig bleiben Content-Produzenten – was habe ich ein Glück … – und Digitaltechniker.
Freilich bleibt ihnen bis zur Erfüllung dieses Szenarios noch ein Weilchen Zeit, in der sie als Messeaussteller die Hallen füllen können. Die dmexco hat also für ein paar Jahre noch eine Zukunft. Dabei wird sich die Messe weiter ändern (müssen):
- Die dmexco internationalisiert sich weiter. Alle meine Gesprächspartner auf der dmexco – Aussteller, Besucher, Medienvertreter (Holz, Draht und Web) – konnten bestätigen, dass der Anteil der internationalen Besucher in diesem Jahr offenbar markant zugenommen hat.
- Die dmexco professionalisiert sich weiter. Durch die Erhöhung die Eintrittspreise ist der Anteil der Tütenträger und Kugelschreibersammler in diesem Jahr gesunken. Die gleichzeitige kurzfristige Fokussierung auf Studierende mit Sonderpreis-Ticket federt nicht nur den gewollten Besucherrückgang ein wenig ab, sondern belebt und verjüngt auch das Publikum. Gut so. In Summe bin ich mir aber sicher, dass die dmexco einen deutlichen Besucherrückgang gegenüber dem Rekord- und Ausnahme-Jahr 2016 vermelden wird. Und das ist gar nicht so schlimm. Schließlich ist die dmexco auf dem Weg zur Weltleitmesse des Digitalmarketings. Da macht Qualität Quantität wett.
- Die dmexco muss sich dem Mittelstand mehr und mehr öffnen. Die Digitalisierung geht nicht am Mittelstand vorbei. Im Gegenteil: der Mittelstand wird zur umsatzstärksten Zielgruppe der Digitalmarketender. Das erfordert aber auch eine andere Sprache der Aussteller. Der Digital Marketing Manager im Mittelstand ist keine einheitliche Zielgruppe. Mal ist das der digital versierte Jungspund, mal der frische Werkstudent, viel zu selten noch der Absolvent einer modernen Marketing-Ausbildung, leider immer noch häufig die Geliebte des Firmeneigners, die früher für den Messestandbau verantwortlich gewesen wäre. Früher konnte sie „gut Farben kombinieren“, heute hat sie schon einen eigenen Facebook Account.
- Was wird aus den Marken im Zeitalter der digitalen 1-zu-1-Kommunikation?
- Wie funktioniert Employee Marketing in Blockchains?
- Wie finden sich Digital Entrenpreneurs und Digitalprofis?
- Wer hat bei der Marketingautomation den Hut auf?
- Wer verliert bei der Globalisierung des Marketings den Kopf?
- Ist Hybrid Retail ein Pfad vom stationären zum digitalen Handel oder eine nachhaltige Form des Wirtschaftens?
So viele Fragen blieben offen. Es wird Zeit, dass endlich die dmexco 2018 beginnt.
Meine Vermutung hat sich bestätigt: der Besucherrückgang der dmexco ist dramatisch: Der Veranstalter kommuniziert im Rückblick nur noch 40.700 Besucher (nach rund 50.000 im Vorjahr): https://bit.ly/dmexpo17minus. Die Erklärung ist einfach und nachvollziehbar: die Eintrittspreise! Auch kann ich den Messemachern nur zustimmen: „In den vergangenen neun Jahren haben wir es mit der dmexco geschafft, Köln zur digitalen Messehauptstadt Europas werden zu lassen“. Das ist absolut richtig. Die dmexco ist kleiner – aber internationaler. Und das ist gut so.
Vor allem wandelt sich die dmexco meiner Meinung nach immer mehr von einer Fachmesse zu einer „Fachmesse“. Ähnlich wie die CEBIT, die von einer Fachmesse zur „Fachmesse“ für Consumer wurde – und nun diesen Weg zumindest teilweise wieder korrigieren möchte.
Die dmexco hat hier von Beginn an das falsche Publikum mit den falschen Motiven gezogen.
Btw.: Was früher/heute die Geliebte des Geschäftsführers war, ist heute eher der BWL Student, der ein iPhone bedienen kann: Mehr Anforderungen scheinen nicht notwendig, um so heute bei den meisten Unternehmen als CDO durchzugehen.