Storytelling als PR-Element in einer Szene aus dem „Hobbit“
Es mag weit hergeholt klingen, aber Storytelling ist nicht nur ein hübscher Name für eine PR-Technik. Die Öffentlichkeitsarbeit für Firmen, Parteien oder Verbände haben sehr ähnliche Ziele wie ein Drehbuch oder Roman. Gerade zu Beginn einer Geschichte steht ein Fiction-Autor vor einem Problem, dass PR-Profis bekannt vorkommen dürfte: wie teile ich dem Publikum die wesentlichen Fakten über meinen Kunden mit? Ohne zu langweilen, ohne Zeit zu verschwenden? Im Falle von Hollywood ist das „Publikum“ der Kino-Besucher, der „Kunde“ ist der Protagonist des Films. In der PR sind es jeweils Journalist und Unternehmen. Eine Szene aus Peter Jacksons „Der Hobbit“ beschreibt, wie diese Aufgabe im Film gelöst wird, und welche Lehren die PR daraus ziehen kann.
„Hier ist einer, dem ich folgen kann“ – Storytelling als Image-PR
Kurz zur Erinnerung: Der Hobbit beschreibt den Weg von Bilbo, dem Titelhelden, an der Seite der Zwerge von Thorin Eichenschild. Diese ziehen aus, Thorins Erbe, das Königreich Erebor, vom Drachen Smaug zu befreien. Bilbo ist ein Außenseiter der Gruppe und nicht vertraut mit deren Geschichte und Motiven. Er ist damit der perfekte Stellvertreter für den Kino-Besucher, der die gleiche Wissenslücke hat. Die Drehbuchschreiber (unter ihnen der großartige Guillermo del Toro) klären ihr Publikum auf, indem sie Bilbo aufklären. Ihr Ziel in dieser Szene: Thorin Eichenschild als heldenhaften Anführer etablieren (innerhalb des Films gegenüber Bilbo, in Wirklichkeit aber vor dem Kino-Zuschauer). Ein klassischer Fall von Image-PR. Das Mittel der Wahl: Storytelling – und zwar ganz wörtlich.
Szenenbeschreibung: nachts am Lagerfeuer.
Bilbo ist erst wenige Tage mit den Zwergen unterwegs. Bei einer Übernachtung in der Wildnis wird er durch ein Geräusch in der Nacht beunruhigt. Zwei der Zwerge – Kili und Fili, die zuvor schon als vergleichsweise liebenswerte Charaktäre eingeführt wurden – ziehen ihn mit einer Geschichte von gefährlichen Orks im Dunklen auf.
Thorin stößt dazu und weist die beiden zurecht: es sei nichts witzig an Orks. Fili und Kili entschuldigen sich, Thorin zieht sich nachdenklich zurück. Auftritt Balins, eines weißhaarigen Zwerges, der schon rein optisch wie ein Märchenonkel wirkt. Er entschuldigt sich für Thorins unwirsche Ermahnung; der Königssohn habe eine traumatische Vergangenheit in Bezug auf Orks. Die Monstren hatten in einer Schlacht seinen Großvater getötet, seinen Vater verschleppt, ein besonders widerwärtiges Monster hätte fast Thorin selber erschlagen. Er wehrte sich aber mit einem Eichenstamm (daher sein Name) und konnte den Ork besiegen. Durch sein Beispiel mit neuem Mut erfüllt konnten die übrigen Gefolgsleute seines Großvaters die Schlacht gewinnen. Balin, selber Teilnehmer, beschreibt seinen Eindruck vom Mut des Königssohns „Ich wusste: hier ist einer, dem ich folgen könnte. Hier ist einer, den ich König nennen könnte.“
Lehren für die PR: Elemente gelungenen Storytellings
Wie die meisten Hollywood-Filme, so ist auch diese Szene nicht gerade filigran gestrickt; es liegt in der Natur von Inhalt, Rezeptionsweise und Publikum, dass die Autoren mit eher groben Strichen zeichnen müssen. Umso besser für die Analyse der verwendeten Mittel – es ist leichter die Beine eines Elefanten zu zählen als die einer Fruchtfliege.
Es lassen sich in dieser Szene die zentralen Elemente erkennen:
1) Nicht aus dem Nichts – ein externer Aufhänger schafft eine Brücke, die dem Zuhörer den Weg zum Thema ebnet. In diesem Fall sind es die nächtlichen Geräusche.
2) Die fünf Elemente: Diese unverzichtbaren Teile des Storytelling finden sich auch bei der Beschreibung Thorins. Die kommenden Gefahren (=Corporate Vision)…
3) …sind nur durch einen guten Anführer (=Mission Statement) zu bewältigen.
4) Thorin bringt dafür Mut mit (=USP, Unique Selling Proposition),…
5) …der das Team inspiriert (=ESP, Emotional Selling Proposition).
6) Den Zwergen winkt Erfolg und Reichtum, dem Publikum Unterhaltung (=Zielgruppenspezifisches Nutzenversprechen)
Man sieht also: Hollywood und Unternehmenskommunikation sind nicht so weit voneinander entfernt, wie man meinen möchte. Wir benutzen die gleichen narrativen Werkzeuge fast täglich in unserer Arbeit. Entschieden abzulehenen sind aber Gerüchte, wir hätten bei vibrio einen Kostümschrank mit Rauschebärten für den richtigen Storyteller-Look. Wahr ist allerdings, dass wir gegen eine Reise zu den Drehorten des Films in Neuseeland oder zum Studio nach Kalifornien nichts einzuwenden hätten. Vielleicht läd uns Herr Jackson ja mal ein, um sich über das Handwerk auszutauschen.
Das hat nur alles mit Storytelling oder Narration nichts zu tun. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.
Ich möchte höflichst widersprechen. Die Szene im Hobbit ist sogar Erzählung in der Erzählung – und eben diese Einbettung ist es, die mir Parallelen zum Storytelling als PR-Werkzeug aufzuweisen scheint.